Adventstreffen, letzter französischer Stammtisch im Jahr. Und: Heute haben wir einen Besucherrekord zu verzeichnen. (Hihi, wahrscheinlich waren alle da, die sich vor fast einem Jahr beim letzten Neujahrsfest hoch und heilig für 2002 vorgenommen hatten, wenigstens einmal vorbeizuschauen.) Achtzehn Leute waren da, rein für die Table française (darüber hinaus natürlich auch noch viele weitere), und was mir besonders Leid tat: Ein paar sind wieder gegangen, weil es dermaßen gestopft voll war. Schade. Sébastien muss gegangen sein, kurz bevor ich kam, dabei hätte ich ihn und die anderen auch gerne dabei gehabt. Aber da auch ich zumindest anfangs nur Sitzplatz "für eine Arschbacke" bekam, kann ich's verstehen. Ich freue mich tierisch über so viele Frankophile und hoffe zugleich, dass künftig wieder alle reinpassen ins Café Extrablatt.
Geredet haben wir viel, comme toujours, und verfolgen konnte ich gerade angesichts der Besuchermengen nur klitzekleine Bruchteile der vielen Gespräche.
Der Teppich von Bayeux (faszinierender Kunstschatz aus dem 11. Jahrhundert, Stickerei auf Leinen, die als Bildererzählung - quasi als Vorform des Comics - die Eroberung Englands durch die Normmannen darstellt) war als kleiner Leporello-Nachdruck mitgebracht worden und wurde an der einen Tischecke herumgereicht.
Die Neugründung des französischen Stammtisches in Gerlingen kam ins Gespräch, der zwecks Nähe zum Arbeitsplatz nachvollziehbarerweise - und dennoch für die Kirchheimer Table "leider" - jüngst dorthin gezogen ist. Na ja, anwesend war er trotzdem, und er hat auch vor, weiterhin hier aufzutauchen, wenngleich wegen der Entfernung nicht mehr so oft. Da geht es ihm so wie mir, mit meinem Tübinger Wohnort kann ich ja auch nur viel seltener kommen, als ich eigentlich gerne wollte.
Für die Ergebnisse der letzten gemeinsamen Sitzung der Städtepartnerschaftsauschüsse in Rambouillet interessierte sich, wer selber keine Gelegenheit hatte mit hinzukommen. Worauf die Gespräche hinausliefen? Dass es nicht einfach ist, in Rambouillet jüngere Leute zu finden, die sich für Deutschland und / oder für die deutsche Sprache interessieren und die sich für die Städtepartnerschaft einsetzen wollen. Dass wir aber dennoch dran bleiben und in Rambouillet angeregt haben, doch einen deutschen Stammtisch einzurichten - nach hiesigem Muster, bloß eben umgekehrt. Und dass bei den bisher in der Städtepartnerschaft Aktiven große Offenheit für solche Vorstöße herrscht, auf Kirchheimer ebenso wie auf Rambolitainer Seite. Deshalb will ich die Table-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer auch dazu auffordern: Ihr müsst Euch, weil Ihr am französischen Stammtisch teilnehmt, nicht unbedingt auch gleich aktiv für die Städtepartnerschaft interessieren. Schon wenn Ihr Ideen habt, die auch andere umsetzen könnten, haltet Euch damit nicht zurück. Wenn Ihr aber an Rambouillet und dem Partnerschaftsaustausch interessiert seid, dann werdet aktiv. Mein Gedanke ist ja, beim kommenden Bürgerbus-Besuch aus Rambouillet am ersten Maiwochenende 2003 während des abschließenden Festes womöglich selber als DJ aufzutreten, wenngleich ich das erst mit dem Partnerschaftsausschuss absprechen muss. Auch denke ich dran, mit einer Kirchheimer Band (deren Namen ich vorerst für mich behalte) engere Kontakte zu knüpfen und sie vielleicht an jenem Wochenende für einen Auftritt zu gewinnen. Alles in Planung, vielleicht wird's auch anders, auf jeden Fall geben wir uns Mühe, dass die jüngeren Städtepartnerschafts-Fans nicht zu kurz kommen.
Die geplante Neubelebung der "Familienferien", gemeinsamer Ferien von Kirchheimer und Rambolitainer Familien, wollte in den letzten Jahren nicht mehr so recht in die Gänge kommen. Auch das war Gesprächspunkt, und Gedanken wurden geschmiedet, wie man entweder auf andere Einsatzfelder in der Städtepartnerschaft umschwenken oder der Sache doch vielleicht noch eine kleine, aber vielleicht zündende Anfangsdynamik verleihen könnte.
Arbeitssuche, Arbeitslosigkeit und Arbeitsleben flossen ins Gespräch ein, alltägliches Interessantes, das Einblicke in andere Berufstätigkeiten freigab, auch in solche, deren "Hauptarbeitsinstrument" die französische Sprache ist. Firmenkorrespondenz auf französisch und deutsch - oder die Schwierigkeiten als Französischlehrerin im Referendariat.
Auch ganz andere Themen kamen zur Sprache: Die Integration von Ausländern in Deutschland und in Frankreich und die damit einhergehenden Schwierigkeiten wurden thematisiert, sowie die Demagogik, die dieses Thema politisch begleitet. Jean-Marie Le Pen, dazu Franz Schönhuber im Vergleich. Das Menschenrecht auf Asyl, dessen Missbrauch, dessen Beschränkung, das gesamte Für und Wider. Die Einwanderungsgesetzgebung... - Politische Themen kamen später am Abend in die Runde, was bisher zumindest bei denjenigen Abenden der Table française sehr selten der Fall war, an denen ich nicht in Tübingen, sondern wirklich mit von der Partie war. Dagegen ist nichts einzuwenden, auf die heute erlebte Art finde ich das toll, denn auch während dieser Gespräche zeichnete sich die Atmosphäre durch die bei allen anzutreffende Bereitschaft aus, auf die Sichtweise des jeweils anderen einzugehen. Die Offenheit, die uns auch gegenüber der Kultur des Nachbarlandes (und nicht nur ihr gegenüber) wichtig ist, wird bei so etwas spür- und greifbar. Davon, ein politischer Debattierclub zu werden, sind wir jedoch ebenfalls weit entfernt. Auch das ist gut so. Ich fühle mich gerade wegen der großen Vielfalt aller möglichen (und unmöglichen) Themen sehr wohl am französischen Stammtisch. Diesmal ganz besonders
Zur Studi-Kultur in Tübingen äußere ich mich, zu den verschiedenen Gruppen und ihren bisweilen in Widerspruch zueinander stehenden Ansichten und Zielen.
Die politische Veränderung in Deutschland von unmittelbarer Nachkriegszeit über die Achtundsechziger bis heute fließt auch ins Gespräch ein, besonders im Hinblick auf die Veränderung von Jugendkultur und Jugendidealen (bzw. den bisweilen feststellbaren Mangel an solchen Idealen). Über die Politik in den USA, über Ansichten der US-Bevölkerung setzt sich unser Gespräch fort zur dortigen Waffenlobby und ihrer Sicht der Dinge. Schließlich gehen wir über zu meinen Reiseerlebnissen mit dem Fahrrad in Liverpool 1997.
Sehr spät ist es geworden, als die letzten vier, die von den immens vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bis ganz zum Schluss geblieben sind, sich frohe Weihnachten und alles Gute für's neue Jahr wünschen und in die klirrend kalte, fast längste Nacht des Jahres verschwinden. In der Hoffnung, sich auch 2003 wieder am französischen Stammtisch zu treffen.
Tipps und Veranstaltungshinweise:
Regelmäßige Veranstaltungen mit französischem Hintergrund und in halbwegs erreichbarer Entfernung bieten die französischen Kulturinstitute in Stuttgart und Tübingen an.