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Rambouillet, Yvelines, Île de France, Frankreich: Fahrt des Bürgerbusses aus Kirchheim nach Rambouillet vom 03. bis zum 06.06.1999.
Die folgende Rückschau auf die Bürgerbusfahrt ist in gekürzter Fassung am 15.06.1999 unter dem Titel Mit dem "Bürgerbus" auf dem Weg zu neuen Kontakten im Teckboten erschienen
Die Städtepartnerschaft Kirchheim - Rambouillet blickt auf eine Zeit großer Jubiläen zurück. Ihr dreißigjähriges Bestehen wurde in Frankreich vorletztes Jahr, in Deutschland vergangenes Jahr gefeiert, bedingt durch die zeitversetzte Unterzeichnung der jeweiligen Dokumente. Dass nun allerdings keinesfalls mit einer "Flaute danach" zu rechnen ist, bestätigte sich am durch Fronleichnam verlängerten ersten Juniwochenende, an dem - wie alle zwei Jahre - der Kirchheimer "Bürgerbus" Rambouillet ansteuerte.
Kirchheim. Neben dem Schüleraustausch, der sich von Grundschule bis Gymnasium erstreckt, findet in Kirchheim Austausch mit Rambouillet insbesondere unter Vereinen (Musik, Sport, Feuerwehr, Kirchenchor, um nur einige zu nennen) statt, ebenso privat unter Familien und Einzelpersonen, die sich bereits von früher her kennen. Was aber tun, wenn man noch keinen Zugang zu den Austauschaktivitäten gefunden hat? Man meldet sich zu einer Fahrt mit dem "Bürgerbus" an, der allen nicht vereinsmäßig organisierten Kirchheimern einen Einstieg in die Austauschaktivitäten bietet und denjenigen eine Reise in Gesellschaft ermöglicht, die bereits Freunde in Frankreich gefunden haben, ihren Privat-PKW aber lieber zu Hause lassen. Das Angebot wird genutzt. Trotz gleichzeitiger Pfingstferien nahmen dieses Jahr vierzig Leute aus Kirchheim und den Nachbargemeinden an der Bürgerbusfahrt teil. Besonders erfreulich: Insbesondere jüngere Leute ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen. Über die Hälfte aller Teilnehmenden waren zum ersten Mal dabei.
Donnerstag morgen, sechs Uhr. Auf dem Ziegelwasen findet sich eine Runde frankophiler Kirchheimer ein, um per Bus die Partnerstadt Rambouillet aufzusuchen. Das ist selbst für schwäbische Verhältnisse an einem Feiertag ungewöhnlich früh, aber die zehnstündige Anfahrt soll nicht nur durch ein paar Kurzpausen am Streckenrand aufgelockert werden, es ist vielmehr schon seit langem üblich, eine streckennahe Sehenswürdigkeit zu besuchen. So wurde früher bereits zur Besichtigung von Kathedrale und Innenstadt in Reims Station gemacht, einer anderen Fahrt dienten die Spuren, die insbesondere der erste der beiden Weltkriege um Verdun hinterlassen hatte, als zum Frieden mahnendes Fanal. Auch die Champagne bietet sich an: Epernay, d.h. eine seiner zahlreichen Sektkellereien ist bereits von einer Gruppe Kirchheimer besucht worden. Auch diesmal stand der Champagner mit dem Besuch des Musée de la Vigne et du Vin im Städtchen Le Mesnil-sur-Oger im Mittelpunkt. In dessen Kellergewölben wurde von der schwergewichtigen historischen Eichenholz-Kelter bis zum vergleichsweise unscheinbaren Verkorkungsapparat allerlei technisches Gerät vorgestellt, das die Geschichte der Champagnerprodukion in Schritt für Schritt verbesserten Ausführungen begleitete. Das flüssige Ergebnis all der Mühen kam im Anschluß allen zugute, die Champagnerprobe fand regen Anklang. Auch das "Flaschendrehen" (notwendige Maßnahme bei der Flaschenreifung) gewann für viele eine Bedeutungsvariante hinzu.
Eintreffen in Rambouillet. Unter denjenigen, die erstmalig dabei waren, löste sich die bange Frage, wie denn das alles so werde, nach Ankunft rasch in Wohlgefallen auf. Auch diejenigen, die skeptisch waren, wurden durch die Gastfreundschaft überzeugt. "Die sind ja alle so nett!" Fürsorge und Herzlichkeit waren "magnifique", wir wurden verwöhnt. Ebenso stellte sich die Sprachbarriere als ein Hindernis heraus, das mit Leichtigkeit übersprungen werden konnte. Die Verständigung klappte annähernd perfekt, und war gerade niemand zur Stelle, der sich auf's Übersetzen verstand, so bediente man sich außersprachlicher Mittel.
Hauptbesuchsziel am Freitag: "France Miniature", ein zwischen Rambouillet und Versailles gelegenes, in Form und Oberfläche der "Grande Nation" nachempfundenes kleines Modellbahn-Frankreich, in dem die Modelle wichtiger Bauwerke an der Stelle ihres tatsächlichen Standorts aufgestellt sind. Neben den bekannten Pariser Monumenten sind u.a. Loire-Schlösser, der Pont du Gard, verschiedene Kirchen, Klöster, Brücken sowie jeweils ein für die betreffende Region typisches Dorf zu sehen. Die liebevoll und detailgetreu nachempfundenen Bauten faszinierten mehrere Schulklassen ebenso wie uns "erwachsene Kinder" und trösteten beim Spaziergang quer durch ganz Frankreich über den kühlen Wind und kurze Regenschauer hinweg.
Auf demselben Areal wie France Miniature, doch jenseits des Atlantiks - einem Karpfenteich mit regem Schiffsverkehr - befindet sich "la Féerie des Eaux". Das so bezeichnete Spektakel flapsig als Rasensprenger-Kunst zu bezeichnen, wäre zwar treffend, würde der Sache aber nicht gerecht. Zu voluminösen Synthesizerklängen à la Alan Parsons werden in einem vollständig abgedunkelten Raum vor großem Publikum unzählige Wasserfontänen bunt angestrahlt, die durch präzise Steuerung stets von neuem verblüffende Kaskaden, Barockformen, sogar Rotationskörper bilden und mit ihrer Wirkung manches Feuerwerk in den Schatten stellen.
Nach Rückkunft in Rambouillet bot sich Gelegenheit für einen Stadtbummel. Mehrheitlich nahm man jedoch an einer auf Wunsch spontan organisierten Schlossführung teil. Von François I über Marie-Antoinette bis in die jüngste Vergangenheit, zu den hier im März gescheiterten Kosovo-Friedensgesprächen reichte das Interesse der Kirchheimer. Danach zog man sich wie am Vortag zum gemeinsamen Abend in den Gastfamilien zurück.
Besichtigung des französischen Senats: Diese große Ehre wurde uns am Samstag zuteil. Und weil vor dem hohen Haus absolutes Versammlungsverbot herrscht, mußten wir dort möglichst punktgenau zum angemeldeten Zeitpunkt erscheinen, was uns dank guter Verkehrslage Gelegenheit zu einer kurzen Stadtrundfahrt unter Führung Jeannine Leprousts gab. Nach flughafenartigen Personen- und Gepäckkontrollen vor dem Einlass führte uns ein Film auf französisch in die historisch gewachsene politische Rolle des Senats ein. Ein Teilnehmer der Fahrt fasste dessen Inhalte für alle verständlich auf deutsch zusammen und übersetzte auch im folgenden die Führung fachgerecht und zu allgemeiner Zufriedenheit. Von der Geschichte des Tagungsortes, des Palais du Luxembourg, bis zur heutigen Aufgabe der 321 Senatoren wurde alles Wissenswerte vermittelt, als man sich nach einer Führung durch prunkvolle Säle im Halbrund des Sitzungssaales auf altehrwürdiger Bestuhlung niederließ, auf der von Victor Hugo bis François Mitterrand schon allerlei illustre Staatsmänner ihren Platz hatten. Über die große Ehrentreppe verließen wir das Palais, und nach dem Picknick in den angrenzenden Gärten bot sich noch Gelegenheit, die Seine-Insel, das Quartier Latin oder nach Belieben andere Teile der Innenstadt zu durchstreifen. Vereinzelte Regenschauer hielten uns bei Laune.
Wer soll das verzehren? Doch nicht etwa wir? Diese Frage stellte sich am Abend in der Festhalle bei der traditionellen Feier vor der Rückfahrt. Motto und Dekoration richteten sich diesmal mit dem Symbol der europäischen Währung auf die nahe Zukunft. Das reichhaltige Buffet war geschmacklich vom allerfeinsten, das musikalische Spektrum, zu dem getanzt wurde, reichte von Deutschland über Frankreich bis zu den französischen Antillen, und dank absichtlich schadhafter Hosen seitens des Entertainers kam der Humor auch auf seine Kosten.
Sonntagmorgen, Place du Rondeau. Ort des Abschieds, der erwartungsgemäß nicht allzu leicht fiel. Viele waren zum ersten Mal, wohl kaum jemand zum letzten Mal dabei, dies ließ sich aus den herzlichen Umarmungen entnehmen, die vor der Abfahrt die Herzen höher schlagen ließen. Auch die ersten Schlüsse während der Rückfahrt waren bezeichnend. Nicht nur das Interesse an Frankreich, sondern auch dasjenige an der französischen Sprache ist geweckt worden. Für eine Teilnehmerin, die bislang des Französischen nicht mächtig ist, könnte dieser kurze, aber erlebnisreiche Aufenthalt durchaus zum Anlass werden, die Sprache des Nachbarlandes zu erlernen. Nicht zuletzt ist es der hervorragenden Organisation zu verdanken, dass alles so reibungslos ablief. Auf Französischer Seite ist insbesondere Jeannine Leproust, hier in Kirchheim Jörg Leiber lobend zu erwähnen, ohne die wir sicher um manch schönes Erlebnis ärmer wären. Damit die Erlebnisse möglichst lange nachwirken, können beim Nachtreffen am Freitag, 02.07.1999 um 19.00 Uhr im Restaurant Waldheim, zu dem Teilnehmer und Interessierte herzlich eingeladen sind, Fotos, Erinnerungen und Anekdoten ausgetauscht werden.
Tübingen, Juni 1999 - Peter Liehr