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Zeitungsartikel zur Bürgerbusfahrt von Kirchheim nach Rambouillet, Donnerstag, 24. - Sonntag, 27.05.2001. Ungekürzte Version. Autor: Peter Liehr. In gekürzter Fassung erschienen am 15.06.2001 in Der Teckbote unter folgendem Titel: Völkerverständigung ist weiterhin ein Thema
Im Rahmen der äußerst aktiven Städtepartnerschaft fand unlängst eine Busfahrt von Kirchheimern nach Rambouillet statt. Als I-Tüpfelchen war die bislang weiteste Tagesexkursion enthalten, die auf einer der zweijährig stattfindenden "Bürgerbusfahrten" je gemacht wurde: Es ging bis in die Normandie.
Kirchheim. Sechs Uhr morgens. Auch für Bürgerbus-Abfahrten ist an diesem Himmelfahrts-Donnerstag außergewöhnlich viel Betrieb am Ziegelwasen: Knapp 50 Leute haben sich versammelt, mehr denn je. Viele sind zum ersten Mal dabei, darunter zahlreiche Jüngere. Alle sind gespannt: Diesmal stehen nicht Sorgen bzgl. Unterbringung und Kommunikation an vorderster Stelle - die konnten bereits in der Vergangenheit nach Ankunft sogleich vergessen werden. Ein großer Tagesausflug nach Honfleur an der Westseite der Seine-Mündung ist versprochen worden.
Mehrere Kurzpausen lockern die lange Fahrt auf. Der übliche große Zwischenstopp wird diesmal in Verdun eingelegt. Eine Führerin steigt zu. Die Schlachtfelder aus dem Ersten Weltkrieg, die der Bus durchquert, rufen allen eindringlich in Erinnerung, warum es wichtig ist, Städtepartnerschaften und Völkerverständigung aktiv und einsatzwillig zu pflegen: Wer weiß besser um die Sinnlosigkeit kriegerischer "Konfliktlösung" als die, die sich kennen und einander ans Herz gewachsen sind? Zwar ist die Führung aufgrund einer unerwarteten Verspätung recht konzise und schnell, dennoch wird verständlich, umfassend und genau das Geschehen einer grausamen Kriegsvergangenheit geschildert. Eine Filmvorführung in der Gedenkstätte Douaumont stellt zudem eindringlich diejenigen Schrecken und menschlichen Leiden dar, die von Lageberichten vertuscht, von Diplomaten verschwiegen und von Geschichtswerken oft nur unzureichend geschildert werden.
Viertel vor sieben, Abend in Rambouillet. Die französischen Gastgeberfamilien nehmen die Kirchheimer in Empfang. Viele von ihnen werden am Morgen danach kaum glauben können, wie herzlich sie aufgenommen, wie zuvorkommend ihnen sämtliche Wünsche von den Lippen abgelesen wurden (auch wenn sie des Französischen nicht mächtig sind).
Am Freitag Morgen geht die Reise weiter: Der Ausflug nach Honfleur entlastet die französischen Gastgeber ein wenig, für die Kirchheimer stehen erneut drei Stunden Fahrt an. Verwinkelte Dörfer des Rambolitainer Heimat-Départements Yvelines liegen hinter uns, auf Nationalstraßen durchqueren wir das weite Hügelland der Normandie. Die mitgekommenen Rambolitainer Reisebegleiter geben freudig Auskunft über die durchfahrene Landschaft und helfen bei der Routenplanung. Im Zielgebiet angekommen, gilt unser Interesse zunächst den majestätisch hohen Brücken, die es Ozeanriesen ermöglichen, Seine-aufwärts bis Rouen zu schippern. Wir überfahren den Pont de Brotonne, später den Pont de Normandie, weltweit die zweitlängste Stahlhängebrücke in Kastenbauweise – und kommen uns ziemlich mickrig dabei vor. Honfleur empfängt uns mit bestem Wetter. Während der Vesperpause am Hafen streifen die Blicke über das malerische Stadtbild. Die darauf folgende Schifffahrt macht erneut die Dimensionen des nahe gelegenen Pont de Normandie deutlich. Während der Umrundung eines der Mittelpfeiler versetzen wichtige Zahlen und Fakten, von einem Teilnehmer ins Deutsche übertragen, erneut in Staunen.
Stadtführung in Honfleur. Die Kirche ist eine baugeschichtliche Kuriosität: Die zwei parallel nebeneinander liegenden Kirchenschiffe, von Schiffszimmerleuten vollständig aus Holz erbaut, wirken in ihrer Gedrungenheit auf unvergleichliche Weise ebenso heimelig wie die liebevoll restaurierten Gebäude in den verwinkelten Gassen darumherum. Honfleur gilt als Künstlerkolonie. Nach kurzem Abstecher nach Trouville und Deauville fährt der Bus auf schnellstmöglichem Wege nach Rambouillet zurück.
Den Samstag verbringen die Kirchheimer mit ihren Gastfamilien. Manche bleiben vor Ort, andere besuchen gemeinsam Paris, manche Chartres. Ganz Reisehungrige zieht es gar bis zum Loire-Schloss Chenonceaux. Am Abend bei der Abschlussfeier – diesmal im Stadtteil La Clairière – sind jedoch alle wieder zusammen. Das Buffet lässt keine Wünsche offen, Musik und Tanz bringen den Abend zu fröhlichem Ausklang.
Sonntag Morgen, neun Uhr. Abfahrtszeit. Der Abschied fällt kein bisschen leichter als bei früheren Treffen. Von der Gastfreundschaft der Rambolitainer überwältigt und von ihrer Einsatzfreude tief beeindruckt, machen sich knapp 50 Kirchheimer müde und zufrieden auf den Nachhauseweg. Dennoch sorgt auch der letzte Programmpunkt noch einmal für Begeisterung: eine Parisdurchfahrt, geführt durch einen ortskundigen Teilnehmer. Der Tenor im Bus ist durchweg positiv: Neue Gastfreundschaften sind geknüpft, Privatbesuche geplant worden. Rückblickend betrachten alle das Programm als sehr gehaltvoll und äußerst gelungen, manchem ist es allerdings fast zu viel gewesen. Ebenso wie bei Gastfamilien in Rambouillet, die sich bei der Organisation besser kennen lernten, stärkt die gemeinsame Reise Kontakte unter Kirchheimern. Die Anonymität in der Fußgängerzone schwindet ein wenig.
Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle der Aufwand, den eine Bürgerbusfahrt erfordert. Ohne Jeannine und Guy Leprousts sowie Jörg und Cornelia Leibers organisatorisches Geschick wäre sie wohl kaum vorstellbar gewesen. Ebenso trugen Madame Cailly und Monsieur Barbotin sehr zum Gelingen der Normandie-Fahrt bei. Ihnen allen gilt der Dank der Teilnehmer, die am Freitag, 6. Juli um 19.00 Uhr beim Nachtreffen im Restaurant Waldheim Fotos und Erinnerungen austauschen können.
Tübingen, Juni 2001 - Peter Liehr