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Städte- und Gemeindepartnerschaften chronologisch

Samstag, 10.10.2009

Kirchheim unter Teck / Rambouillet

Gemeinsame Sitzung der Partnerschaftsausschüsse

Kirchheim unter Teck, Baden-Württemberg, Deutschland: Auf der heutigen gemeinsamen Sitzung der Städtepartnerschaftsausschüsse von Kirchheim unter Teck und Rambouillet werden in Kirchheim neue Initiativen und Ideen für die Partnerschaft in ungewöhnlich reichhaltiger Zahl vorgetragen. Der folgende Text, Grundlage eines Zeitungsartikels zur Sitzung, macht dies deutlich.

Tübingen-Bühl, 29.06.2009 und 14.10.2009 - Peter Liehr

Vision einer erweiterten Partnerschaftsauffassung

Am 10.10.2009 trafen sich die Ausschüsse der Städtepartnerschaft zwischen Kirchheim und Rambouillet zu ihrer jährlichen gemeinsamen Sitzung. Bereits beim Austausch der Grußbotschaften zwischen den Stadtoberhäuptern Angelika Matt-Heidecker und Gérard Larcher sowie erneut zum Schluss der Sitzung wurde ein Ausblick auf die künftigen Aufgaben und Ziele von Städtepartnerschaften gegeben. Angesichts eines friedlichen Europas steht inzwischen nicht mehr Aussöhnung im Vordergrund, sondern Verjüngung und Generationenwechsel.

Die Vision einer erweiterten Partnerschaftsauffassung, bei der bestehende Städtepartnerschaften netzwerkartig interagieren, wurde von Rambouillets Städtepartnerschafts-Beauftragter Janine Christienne und von Jeannine Leproust vorgestellt. Beide nahmen in Tours an einem Treffen französischer Städte- und Gemeindepartnerschaftsvertreter teil. Die Forderung dort: Man müsse die Städtepartnerschaften entstauben und bestehende Bande untereinander weiter quervernetzen. Kirchheims Hauptamtsleiter Steffen Weigel unterstützte diese Idee nachdrücklich. In der EU werde das Thema Städte-Netzwerke immer wichtiger, so Weigel. In diese Richtung zielte auch die Initiative im letzten Jahr, als zum Kongress für erneuerbare Energien neben Rambouillet auch Great Yarmouth und Waterloo nach Kirchheim eingeladen wurden. Von dort kam zwar leider noch niemand, aber man möchte im Rathaus weitere Initiativen starten.

Einem Vorschlag aus der Teilnehmer-Runde folgend könnte die deutsch-französische Ferienwoche durchaus einmal in Ungarn mit Unterstützung und unter Beteiligung der Städtepartnerschaft mit Kalosca verbracht werden. So können sowohl die Teilnehmer-Nationalitäten als auch der Radius der Urlaubsländer auf weitere Staaten mit Partnerstädten ausgeweitet werden. Anfang August fand in diesem Jahr die deutsch-französische Ferienwoche zum dritten Mal statt, in Gomadingen auf der Schwäbischen Alb. Anfangs-Befürchtungen vor mangelndem Interesse auf deutscher Seite angesichts der Nähe zu Kirchheim zerstreuten sich rasch, es kamen aus Kirchheim sogar zwei Familien mehr mit als im vergangenen Jahr. Weder sie noch die französischen Teilnehmer wurden enttäuscht - das reichhaltige, von Kirchheims Partnerschaftsauschuss unterstützte Programm mit Ausflügen und Besichtigungen von Burg Hohenzollern über Bärenhöhle bis hin zur AlbGold-Nudelfabrik ließ genügend Zeit für gemeinsame Spiele, Wanderungen und Radtouren im Umfeld des Gomadinger Feriendorfes. Für einige französische Teilnehmer entpuppte sich die Schwäbische Alb als Urlaubs-Geheimtipp. So beabsichtigt eine Familie, mit Fahrrädern im Gepäck erneut zum Urlaub nach Gomadingen zu reisen.

Im kommenden Jahr steht turnusgemäß Frankreich auf dem Ferienplan. Vom 31.07.2010 bis zum 07.08.2010 findet die Ferienwoche in der Ferienkolonie Stereden in Plemeur-Bodou - Cosmopolis an der Côte d'Armor südlich der Ile Grande an der bretonischen Nordküste statt. Das Feriendorf in Meeresnähe (ca. 2 km) besteht aus 26 Chalets mit jeweils vier Betten. Ein Kinderbett kann bei Bedarf gegen geringen Aufpreis dazugestellt werden. Der Wochenpreis von 530 Euro inkl. Mwst. pro Chalet hält sich trotz Hauptsaison-Tarif im Rahmen. Reservierungen sollten umgehend bei Thomas Kubicka oder in Rambouillet direkt bei Sylvia Genonceau vorgenommen werden.

Wie schon die deutsch-französische Ferienwoche, so zeigt auch der wesentlich tiefer in der Geschichte der Städtepartnerschaft verwurzelte Bürgerbus, dass zwischen Rambouillet und Kirchheim eine "Städtepartnerschaft zum Anfassen und Mitmachen" besteht. Im jährlichen Wechsel wird an einem verlängerten Wochenende die jeweils andere Stadt mit dem Bus besucht. Die Unterbringung erfolgt in Gastfamilien. Wer möchte, kann teilnehmen, sei es als Mitreisender oder als Gastgeber. Alle sind willkommen, der Bürgerbus ist ausdrücklich für Bürger da, die nicht vereinsmäßig gebunden sind und nicht an deren Austausch-Aktivitäten teilnehmen können.

In diesem Jahr stand in der Leitung des Bürgerbusses ein bedeutsamer Wechsel an. Jörg Leiber, der sich, unterstützt von seiner Frau Cornelia, über 25 Jahre lang bei der Organisation große Verdienste erwarb, beteiligte sich unterstützend an der erstmals von Ramona und Klaus Winkler geleiteten Fahrt nach Rambouillet, die sogleich einige Bewährungsproben mit sich brachte. Auf einer Ausflugsfahrt nach Dreux fiel der Bus aus. Der Versuch, ihn anzuschieben, scheiterte, die nötige Starthilfe war nur mühsam aufzutreiben. Überdies verletzte sich eine Teilnehmerin bei einem Sturz. Allem zum Trotz meisterte jedoch auch das "neue Team" alle Hürden und ließ die Fahrt zu einem erfolgreichen Austausch-Erlebnis werden.

Bürgerbus-"Ehrenbürger" bzw. -Ehrenteilnehmer - mit diesem Titel, mit dem zwei kostenlose Bürgerbus-Mitfahrten verbunden sind, wurden Jörg und Cornelia Leiber auf der Partnerschaftssitzung für den erheblichen Vorbereitungs- und Arbeitsaufwand bei den bisherigen Fahrten ausgezeichnet. Vom 13. bis zum 16.05.2010 wird der Bürgerbus im kommenden Jahr Kirchheim besuchen. Mögliche Gastgeber sind herzlich eingeladen, sich beim Partnerschaftsausschuss zu melden. Rambouillets Partnerschaftsausschussvorsitzender Michel Grall bekräftigte gemeinsam mit seinem Kirchheimer Amtskollegen Karl-Heinz Rieforth die Hoffnung, mehr junge Leute dabei zu haben. Gerne mögen die Jugendgemeinderäte beider Städte vom Bürgerbus Gebrauch machen, so Grall.

Der Radfahr-Club aus Rambouillet will, nachdem bereits die wesentlich weitere Strecke in Rambouillets spanische Partnerstadt Zafra bewältigt wurde, in die Pedale treten und zeitgleich mit dem Bürgerbus nach Kirchheim kommen. Ca. 15 Teilnehmer werden erwartet - und überdies eine Delegation der Feuerwehr von Rambouillet. Herr Heyde, bislang bei der Kirchheimer Feuerwehr für die Partnerschaft zuständig, wurde Abteilungskommandant und kann daher nicht mehr im bisherigen Umfang den Feuerwehr-Austausch betreuen. Er gibt sein Amt weiter.

In Rambouillet gibt es beim Basketball mit Herrn Foulon ebenfalls einen neuen Vorsitzenden. Dorthin könnten einige Mitglieder der Kirchheimer Basketball-Jugend aufbrechen, die sich eine Teilnahme am Tournier in Rambouillet an Christi Himmelfahrt erhoffen - also wiederum am selben "Bürgerbus-Wochenende". Auf Kirchheimer Seite beteiligt sich möglicherweise die Squaredance-Gruppe am Bürgerbus-Festabend, worüber jedoch noch zu entscheiden ist. Interesse am Austausch besteht auch seitens des Konservatoriums von Rambouillet. Musik, klassischer Tanz und Ballett zählen zu dessen Disziplinen, die zwar mit denen der Kirchheimer Musikschule sowie hiesiger Tanzschulen nicht deckungsgleich sind, jedoch möglicherweise ein genügend großes Schnittmengen-Potential aufweisen.

Groß war in diesem Mai in Rambouillet die Begeisterung über das gemeinsame Konzert der Chöre Chantons Diapason, Saint-Lubin und Sing-Out während des Bürgerbus-Besuchs, sodass der Chor Saint-Lubin voraussichtlich auch 2010 in Kirchheim auftreten will. Dem könnte jedoch entgegen stehen, dass die geplante Zusammenkunft von Chören aus Kirchheim, Rambouillet und Kalosca zu gemeinsamen Proben und Konzerten erheblichen Zeittribut fordern wird - vom 7. bis zum 9. Mai 2010 finden die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Kirchheim und Kalosca statt. Der Kirchheimer Sing-Out-Chor und die Chorale Chantons Diapason singen am 9. und am 10. Oktober 2010 gemeinsam in Kirchheim. Am 9. Oktober ist ein Konzert in der Freien Waldorfschule in Ötlingen geplant.

Wie bereits seit zwölf Jahren, wird auch in der kommenden Adventszeit wieder vom französischen Comité de Jumelage unter großem Engagement von Liliane Paris ein Esskastanien- und Crêpes-Stand an der alljährlich aufgebauten großen Schlittschuhbahn im Stadtzentrum von Rambouillet organisiert. Mit dem daraus erwirtschafteten Geld wird der Jugend- und Schüleraustausch mit Kirchheim finanziell unterstützt, der dieses Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiern konnte. Dazu wurde im Juli bei einer Feier als Geschenk von französischer Seite eine Zeder am Ludwig-Uhland-Gymnasium gepflanzt - unter Anwesenheit des Rektors des Lycée Louis Bascan in Rambouillet, das wiederum im September, als 26 Kirchheimer Gymnasiasten dort Austauschgäste waren, vom Ludwig-Uhland-Gymnasium mit einer Pinnwandtafel beschenkt wurde. Eine Ausstellung dokumentierte die Geschichte des Austauschs, an dem sich seit Frühjahr 1978 auch das Collège de Vivonne, das Collège du Rondeau und das Schlossgymnasium beteiligen. Aus letzteren werden im kommenden März und Mai ca. 50 Schülerinnen und Schülern jeweils acht Tage lang die Schulbank und die Unterrichtssprache wechseln. Von je 13 Tagen Austausch können Gymnasiasten von Lycée Louis Bascan und Ludwig-Uhland-Gymnasium im Juni und September kommenden Jahres profitieren.

Die Grundschulbegegnung zwischen Hochdorf und Rambouillet, die im vergangenen April ins elsässische Luttenbach führte, wird 2010 zur gleichen Zeit mit einem Aufenthalt im Hepsisauer Schullandheim Lichteneck fortgesetzt. Der Austausch - kein Schüleraustausch im klassischen Sinn, da die Sprachen der Nachbarländer Deutschland und Frankreich nicht im einstmals üblichen Umfang Unterrichtsgegenstand sind - wird trotz Erschwernissen wie zeitweise mangelnden Überschneidungen von Ferienzeiten nach wie vor gerne angenommen.

Ein noch junges, mit einigen Startschwierigkeiten behaftetes Kapitel in der facettenreichen Partnerschafts-Geschichte stellt der Austausch von Praktikanten dar. Äußerst positiv nimmt sich dabei der Vorstoß von Kirchheims Stadtverwaltung aus, die unter Hauptamtsleiter Steffen Weigel einem jungen Franzosen ein umfangreiches Praktikum ermöglichte. Die - nicht zuletzt sprachliche - Herausforderung der Initiative, die fortgesetzt werden soll, erwies sich für beide Seiten rasch als Gewinn.

Der Kirchheimer Bund der Selbstständigen (BDS) hingegen rennt laut Steffen Kernstock bei den Praktikantenaustausch-Bemühungen in Frankreich Don-Quixote-artig gegen Windmühlenflügel an, was jedoch kein Vorwurf sein soll. Die Aufnahme von Praktikanten sowie deren Unterstützung in praktischen und bürokratischen Dingen wie Unterkunftssuche und Versicherungsschutz ist in französischen Unternehmen nicht so sehr verbreitet wie in Deutschland. Patrick Bernheim, der bisherige, sehr engagierte Ansprechpartner bei der MEDEF, der französischen Partnerorganisation des BDS, ist leider nicht mehr abkömmlich. Gleichwohl will der BDS bei seinem Bemühen nicht nachlassen, den Austausch in Gang zu bringen, so Steffen Kernstock, der dazu aufruft, die Initiative in interessierten Schüler- und Studierendenkreisen - idealerweise auch unter französischen Interessenten - bekannt zu machen und als Ansprechpartner unter Tel. 07021-483506 zur Verfügung steht.

Von Josette Fauchet wurde ein Austausch zwischen der Médiathèque Florian und der Stadtbücherei Kirchheim angeregt. Da es in Rambouillet nicht allzu viele deutschsprachige Leser gibt, braucht man Hilfe von deutscher Seite, um, wie geplant, einen Grundstock an deutschsprachiger Literatur anzuschaffen, und nicht nur das: Auch Filme und Neue Medien sollten in das Bücherei-Angebot aufgenommen werden, so Christiane Bauer. Schüler aus Collège und Lycée sind die Hauptadressaten. In internationalen Klassen wird dort in bestimmten Fächern Deutsch als Unterrichtssprache gewählt, so z.B. in Geschichte, Gemeinschaftskunde und Geografie am Collège Vivonne und am Lycée Louis Bascan. Gisela Wolff regt eine Vorlesestunde für französische Kinder in deutscher Sprache während des Bürgerbus-Austauschs an. Außerdem gab es unterstützende Angebote, vorhandene, nicht mehr verwendete Bücher der Médiathèque Florian zukommen zu lassen. Steffen Kernstock, beruflich im Bereich der Schulbuch-Konzeption tätig, bot ebenfalls Unterstützung an.

Ein Angebot, zwanglos in der Fremdsprache zu kommunizieren, bieten in beiden Partnerstädten deutsch- bzw. französischsprachige Stammtische und Gesprächskreise an. In Kirchheim sind dies der Gesprächskreis im Alten Wachthaus (Info: Ursula Fischer) sowie die Table française im Restaurant Le Rendez-Vous (Info: Isabelle Dupuis). In Rambouillet bietet Jeannine Leproust einen Deutsch-Konversationskreis an, der sich großer Beliebtheit erfreut. Auch im Umfeld der Partnerschaftssitzung entstanden neue Kontakte. Unter Jägern wurde vereinbart, erstmals gemeinsam am großen viertägigen Jagdfest Chasse grand gibier in Rambouillet teilzunehmen. All diese Begegnungen festigen die Grundlagen des städtepartnerschaftlichen Austauschs, auf denen die in außergewöhnlich reicher Zahl vorgestellten neuen Ideen und Initiativen aufbauen und einer erweiterten Auffassung von Städtepartnerschaft dienen können. Welche Früchte daraus erwachsen, kann bei der nächsten gemeinsamen Sitzung in Rambouillet, voraussichtlich am 16.10.2010, betrachtet werden.

Tübingen-Bühl, 14.10.2009 - Peter Liehr

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