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Polyamorie

Übersicht

Info

  • auch: Polyamory
  • Definition in Kürze
    • Romantische Liebesbeziehungen zu mehr als zwei Personen unter gegenseitiger Kenntnis und Einverständnis aller Beteiligten.
  • Begriffseinordnungen
    • Polyamorie umfasst verschiedene Formen offener Liebesgestaltung, die über Zweierkonstellationen (Monoamorie) hinausgehen.
    • Begrifflich ist Polyamorie im Vergleich zu Polygamie stärker auf den Liebesaspekt als auf die soziologisch-einordnende Kategorie ausgerichtet.
    • Begriffsdefinitionen stoßen aufgrund der Verschiedenheit polyamorer Menschen rasch an Grenzen. Jede polyamore Beziehung ist anders, ebenso jede monoamore. Die meisten polyamoren Menschen eint jedoch die Grundlage der Offenheit über die Art der Beziehungsgestaltung ihren Partnerinnen und Partnern gegenüber sowie die gegenseitige Kenntnis der am Beziehungsgeflecht Beteiligten.
  • Präsenz, Exklusivität, Permanenz
    • Verfechter der Monoamorie, die die ausschließliche Gültigkeit der Zweierbeziehung auch für andere beanspruchen, unterliegen meinem Empfinden nach teilweise der Tendenz, Präsenz mit Exklusivität zu verwechseln. Und mit Permanenz. Ich kann zu einem Zeitpunkt zumeist nur mit einem Partner bzw. einer Partnerin vollauf präsent sein, gewiss. Ebenso gewiss ist es für sehr viele Menschen gut und richtig, diese Präsenz dauerhaft und ausschließlich mit diesem Gegenüber zu erleben. Insofern soll dieser Einwurf nicht als Argument gegen Monoamorie gewertet werden. Andererseits ist es für viele andere eine Überforderung, für ein Gegenüber das Ein-und-Alles zu sein, und für solche mag Polyamorie eine Liebes-Lebens-Führungs-Alternative darstellen.
  • Gleichberechtigung
    • Alle Menschen haben gleiche Rechte. Kann dies nun bedeuten, dass ich als eine/r von mehreren das gleiche "Anrecht" auf eine Partnerin bzw. einen Partner habe? Das wird kaum funktionieren. Ein solches Sich-Vergleichen wird rasch zu Überforderungs-Empfindungen und Eifersuchts-Situationen führen.
    • Ein Hineinfühlen in das Spüren und in die Bedürfnisse des weiteren Gegenübers meines Gegenübers kann hier, sofern die nötige Offenheit vorhanden ist, hilfreich sein. Hilfreich, zu erkennen, wo sich Bedürfnislagen unterscheiden und deshalb niemand "dem anderen etwas wegnimmt" - und wo Aushandeln hilfreich sein könnte. Gleichberechtigung und Konsens in einer polyamoren Beziehung sind daher Idealziele, nach denen zu streben lohnt. Realiter sind sie höchstens annähernd möglich. Menschen sind verschieden, und in der Verschiedenheit liegen Herausforderung und Chance.
  • Eifersucht
    • Eine wichtige Rolle spielt Eifersuchtsbewältigung, besser: der Umgang mit Eifersucht.
    • Eifersucht tritt in vielen Fällen auch bei langjährigen polyamoren Verbindungen immer wieder auf, und es kann nicht darum gehen, sie zu beseitigen, sondern vielmehr, sie zu ergründen, sie zu verstehen und mit ihr umzugehen. Dies dürfte eher zu ihrer Linderung beitragen als Beseitigungsversuche, die sie in der Regel vielmehr zementieren.
    • Grundsatz: Jede/r ist für die eigene Eifersucht selbst verantwortlich.
    • Häufig drückt Eifersucht eine Verlustangst aus. Nicht selten zeigt sie vielmehr den Verlust einer Vorstellung als einen anderweitigen, "realen" Verlust auf: Die Vorstellung von Beziehung oder Bezogenheit, von Partnern, von der Art des Zusammenseins deckte sich nicht mit der anderer Beteiligter. Nun zu sagen, es ginge also "bloß" um den Verlust von etwas, das der / die Eifersüchtige ohnehin nicht sicher "besaß", greift ein wenig kurz, denn die genannte Vorstellung besaß er / sie ja tatsächlich. An dieser Stelle kann nun die nicht immer einfach zu meisternde Fähigkeit gefragt sein, Enttäuschung ihrem Wortlaut gemäß zu erleben: als "Ent-Täuschung", als Befreiung von Täuschung.
  • Mitfreude
    • Im Gegensatz zu Eifersucht auf andere Partner kann auch Mitfreude für und über sie sowie für den mit ihnen geteilten Partner auftreten: schön, dass ihm bzw. ihr Liebevolles und Gutes widerfährt.
    • Wenn Mitfreude von alleine kommt, ist es schön. Man sollte sie sich aber nicht abzuzwingen versuchen - und sie schon gar nicht vom anderen erzwingen wollen ("Mensch, jetzt freu' Dich doch auch mal...").
  • Mitteilsamkeit
    • Soll man bestehenden Partnern die mögliche Anbahnung eines neuen Beziehungsverhältnisses sofort mitteilen, auch wenn es in vielen Fällen häufig doch nicht dazu kommt? Ab wann soll ich mich mitteilen? Solche Fragen bedürfen des Einfühlungsvermögens, der vorherigen Absprache und ggf. immer wieder der Kurskorrektur.
    • Einer der Werte einer Beziehung liegt darin, dass ich alles teilen, also auch mitteilen kann.
    • Hilfreiche Leitlinien: Alles fragen dürfen, wenn man es wissen möchte. Aber auch: Nicht sofort alles sagen müssen. Und: Sich nicht zwingen, alles in Erfahrung zu bringen, wenn das Bedürfnis gar nicht vorhanden ist. Zugleich jedoch: Grundsätzlich über alles reden können. Nicht immer leicht, gewiss...
  • Entwicklung
    • Ein wichtiger Inhaltsaspekt polyamorer Beziehungen ist die persönliche Entwicklung. Darin liegt eine ihrer großen Chancen. Klar, das gilt für Zweisamkeits-Beziehungen gleichermaßen. Falsch wäre es, die polyamore Erweiterung einer monoamoren Beziehung, deren Potential sich im Empfinden der Beteiligten erschöpft hat, als Heilmittel zu überhöhen. Dem Wunschziel, "so muss es doch klappen", wohnt ein erhebliches Scheiterns-Potential inne - aber damit, wenn's denn so läuft, wiederum auch die Chance von Wachstum und Lernen.
  • Symbolik
    • Flaggen- / Schleifensymbol
      • Das von Jim Evans kreierte, hier näher beschriebene Erkennungszeichen, als Flagge und als Schleife zum Anstecken üblich, soll in seinen drei Farben signalisieren:
        • Ehrlichkeit und Offenheit durch blaue Farbe,
        • Liebe und Leidenschaft durch rote Farbe
        • und Solidarität mit denen, die sich gezwungen sehen, ihre polyamore Lebensweise vor der Öffentlichkeit zu verbergen, durch schwarze Farbe.
        Der griechische Buchstabe "Pi", goldfarben in der Mitte, steht stellvertretend für das Wort "Polyamorie".
      • Polyamory Awareness and Acceptance Ribbon Campaign (PAARC)
    • Herz- und Unendlichkeitssymbol
      • Das Herz, überlagert mit der Lemniskate, der "liegenden Acht", ist als Symbol der Unendlichkeit von Liebe weitgehend selbsterklärend.
      • Man beachte allerdings: Über die Natur der Endlosigkeit bzw. der Begrenztheit von Liebe eingehend Klarheit zu erlangen ist wichtig, wenn nicht gar unabdingbar. Polyamore Beziehungsgeflechte brauchen Zeit, eine zu große Zahl an Beziehungen läuft Gefahr, hingabebereite oder aufopferungsvolle Menschen zu sehr zu verbrauchen.
    • "Polly"
      • Aufgrund des im Englischen nicht untypischen Papageiennamens "Polly" muss bisweilen auch der Papagei als Maskottchen "herhalten". Und - richtig: Der plappert alles aus. Verheimlichung als "Funktionsbasis" ist der Polyamorie Sache nicht. Wobei unterschlagende Heimlichkeit nicht mit Vertrautheit und Vertraulichkeit verwechselt werden sollte.

Literatur

  • Deborah Taj Anapol. Polyamory: The New Love Without Limits. San Rafael, 1997.
  • Deborah Taj Anapol. Polyamory in the 21st Century - Love and Intimacy with Multiple Partners. 2010.
  • Derek McCullough und David Hall. Polyamorie - was es ist und was es nicht ist.
  • Felix Ihlefeldt. Wenn man mehr als einen liebt - Frauen und Männer erzählen von ihrer Art, Partnerschaft freier zu leben. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2008
  • Cornelia Jönsson, Simone Maresch. 111 Gründe, offen zu lieben. Ein Loblied auf offene Beziehungen, Polyamorie und die Freundschaft. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010.
    • Empfehlenswert
  • Laura Méritt, Traude Bührmann, Nadja Boris Schefzig (Hrsg.). Mehr als eine Liebe. Polyamouröse Beziehungen. Berlin: Orlanda Frauenverlag, 2005. ISBN: 3-936937-32-X.
  • Oliver Schott. Lob der offenen Beziehung. Über Liebe, Sex, Vernunft und Glück. Verlag Bertz + Fischer, 2010.
  • Thomas Schroedter, Christina Vetter. Polyamory. Eine Erinnerung. Schmetterling-Verlag, 2010.
  • Françoise Simpère. Aimer plusieurs hommes. 2002.
  • Françoise Simpère. Guide des amours plurielles.
  • Erhard Söhner, Bärbel Schlender. Ein Frühstück zu Dritt. Leben und lieben in Mehrfachbeziehungen. Novum Publishing, 2006.
  • Yves-Alexandre Thalmann. Vertus du Polyamour, la magie des amours multiples.
  • Bücher von Silvio Wirth.

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