Afghanistan: In der Nacht auf heute kommen erstmals US-Bodentruppen in Afghanistan zum Einsatz. Ein Hubschrauber stürzt über Pakistan ab, zwei US-Soldaten kommen ums Leben. Genaue Informationen über die Gründe sind nicht verfügbar, es scheint sich aber den Aussagen der kommenden Tage zufolge um einen Unfall zu handeln, bei dem der im Landeanflug befindliche Hubschrauber mit dem Rotor eine Sanddüne streift und sich darauf hin überschlägt.
Tübingen, 20.10.2001 und 30.10.2001 - Peter Liehr
Es stellt sich die Frage, wie sicher sich die "westliche" Allianz in Allgemeinen und die Vereinigten Staaten im Besonderen bzgl. der Erfolgsaussichten in diesem Gelände sind, das manchen Behauptungen zufolge in seiner Unwegsamkeit allenfalls noch von der Antarktis übertroffen wird. Dort sind schon von der Sowjetunion große Materialschlachten geführt worden, wobei die USA damals, den Mechanismen des Kalten Krieges (der hier "ein heißer" wurde) mindestens ebenso wie freiheitsverteidigenden Grundpositionen folgend, die Gegenseite unterstützte. Am geeignetsten für damals ist wohl der Begriff "Stellvertreterkrieg" (vgl. auch Vietnam und Nicaragua). Diesmal ist die Lage insofern anders, als es keine gegnerische Supermacht gibt. Auch Russland steht auf der Seite der Taliban- und Bin-Laden-Gegner. Andererseits ist das Land durch die voraus gegangenen (Material-) Schlachten mit Waffen angefüllt, die jetzt zum Einsatz kommen werden. Die sind zwar nach heutigen Gesichtspunkten teilweise veraltet, doch hat es sich erwiesen, dass es in solch schwierig bergigem Terrain nicht unbedingt auf den neuesten Stand der Rüstungstechnik ankommt.
Das waren jetzt einige Überlegungen und Bedenken eher strategischer Art. Die menschliche Dimension möchte ich bei all dem nicht vergessen. War in den vergangenen Tagen (auch unter dem ablenkenden Eindruck der Milzbrand-Anschläge) schon eine gewisse Gewöhnung an die Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf Stützpunkte von Al Qaida und militärische Ziele in Afghanistan eingetreten (einschließlich zu vieler "Fehltreffer" - auf Minenräumpersonal, Lager von Rotkreuz-Hilfsgütern und Ziele, bei denen wir die tragischen Konsequenzen jetzt und womöglich auch in Zukunft nicht oder zumindest nicht mittels einigermaßen neutraler Berichterstattung werden erfahren können), so geht es jetzt wohl "erst richtig los", und es wird abzuwarten sein, wie schnell wir uns daran werden gewöhnen können. Ich denke, wir sollten uns keine allzu große Gewöhnung erlauben und uns mehr in der Denklogik des Friedens als der des Krieges üben.
Ein Gedanke - eher aus der zuletzt genannten Kategorie - beschleicht mich dennoch wieder. Er dreht sich um Pakistan und Gefahren für die Zukunft, die wir nicht außer acht lassen sollten, schlummert doch in dem Konflikt ein gewaltiges Eskalationspotential. Pakistan ist eine "noch junge" Atommacht, auf die die US-Präsenz im Land und in der Region reichlich destabilisierend wirkt.
Tübingen, 20.10.2001 - Peter Liehr