Deutschland: FDP-Parteivize Jürgen Möllemann gerät wegen des Antisemitismus-Streits weiter unter Druck, von Seiten der SPD wie auch der CDU. Vom österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider (FPÖ) hingegen erhält er Rückendeckung, so die Südwestpresse. Streitpunkt ist Möllemanns Vorwurf einer Mitschuld der Juden am Antisemitismus, die sich im Speziellen gegen den Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden Friedmann und seine "arrogante Art" richtete. Es ist gewiss nicht verboten, die Auftretensweise Friedmanns, der als Fernsehmoderator Gäste aus dem Bereich der Politik interviewt und sich nicht zuletzt dadurch großer Bekanntheit erfreut, für arrogant zu halten. Auch dürfte es sicher einige, meiner Meinung nicht besonders differenzierend denkende Menschen geben, die eine daraus erwachsende Antipathie gegenüber Friedmann generalisieren und auf die Juden insgesamt ausweiten. Wenn ein Politiker die Schuld an solchen Generalisierungen öffentlich der antipathisch empfundenen Person - hier also Friedmann - zuschreibt, sollte er sich der Tatsache bewusst sein, dass er dadurch weitere Menschen, die gerne generalisieren, auf diese "Chance" hinweist, Friedmann und alle anderen Juden in einen Topf zu werfen. Was für einen Vorteil bringt das Möllemann? Er schafft sich Gleichgesinnte und damit (kurz vor der Bundestagswahl) potentielle Wähler, nach dem Motto: "Der Möllemann spricht das aus, was wir denken." Dass es, was sachpolitische Themen angeht, gelinde gesagt wenig relevant ist, ob man Friedmann nun sympathisch findet oder nicht, gerät dabei außer Acht. Möllemann hatte sich für seine Äußerungen bereits entschuldigt, dabei Friedmann jedoch explizit ausgenommen. Die Südwestpresse schreibt heute, Möllemann drohe mit Parteiaustritt, falls er zu einer Entschuldigung gezwungen werde. (Vgl. auch meine Aufschriebe zum 29.05.2002.)
Tübingen, 21.11.2002 - Peter Liehr