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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Dienstag, 16.09.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2 und Inforadio 93.1.

Israel-Palästina-Konflikt: Die Absichtserklärung der israelischen Regierung, Arafat auszuweisen oder zu töten, wird weltweit scharf kritisiert. Heute wird in der UNO die Forderung der Staaten der Arabischen Liga diskutiert, eine Resolution zu verabschieden, die Arafats Tod oder Verbannung verhindern soll. Der Generalsekretär der Arabischen Liga warnt Israel vor ernsten Konsequenzen, die er aber nicht näher spezifiziert. Syrien, einziges in der UNO vertretenes arabisches Land, bemüht sich um die Formulierung einer UN-Resolution im oben genannten Sinne. Auch der Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem kritisiert Teile der israelischen Regierung bezüglich der Forderung, Arafat auszuweisen und zu töten. Scharon stehe unter Druck, seine Gegner wollten sich profilieren. Die USA blockieren schließlich die geplante UN-Resolution gegen eine Ausweisung von Palästinenserführer Arafat durch ihr Veto. Die US-Regierung lehnt die Ausweisung Arafats zwar ab, fordert aber die scharfe Verurteilung palästinensischer terroristischer Aktivitäten, die in dem Resolutionsentwurf nicht enthalten ist. Deutschland enthält sich der Stimme. Die Arabische Liga wollte mit der Entschließung Druck auf Israel ausüben, den Ausweisungsbeschluss gegenüber Arafat zurückzuziehen. Danach sieht es in Israel selbst jedoch ganz und gar nicht aus. Im Vorfeld der Abstimmung in der UNO versucht der israelische Außenminister, der die israelische Position bekräftigt, die Lage jedoch ein wenig zu beschwichtigen. Eine Tötung Arafats sei nicht die offizielle Regierungsposition. Die israelische Regierung bleibt bei dem Standpunkt: Yassir Arafat sei ein Friedenshindernis, er repräsentiere den Terror und nicht den Frieden. Viele internationale Zeitungen bemängeln derzeit, dass die USA sich gegenüber der rigiden israelischen Haltung so gleichgültig verhielten. Einige schreiben dem Hardliner Scharon die Schuld am Wiedererstarken Arafats zu: Arafat ist zurück, Scharon sei Dank.

Israel-Palästina-Konflikt: Bei Hebron wird ein verdächtiger Palästinenser von israelischen Truppen getötet.

Schweden: Die schwedische Polizei fasst den am Mord der schwedischen Außenministerin Anna Lindh Hauptverdächtigen in einem Fußballstadion in Stockholm.

Weilheim an der Teck, 16.09.2003 - Peter Liehr

Deutschland

Deutschland: Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Clement mahnt in Reaktion auf die gescheiterte Welthandelskonferenz in Cancun die Reform der Agrarsubventionen an. Er will die Verhandlungen so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Agrarministerin Künast kritisiert die Haltung des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, indem sie erklärt, wer das Scheitern der Verhandlungen von Cancun als einen Sieg der armen über die reichen Länder feiere, der habe die Globalisierung noch nicht richtig verstanden. Nach Auffassung von Clement ebenso wie Künast ist das Scheitern der Welthandelskonferenz weder für die reichen noch für die armen Länder ein Gewinn.

Berlin, Deutschland: Auf einem Dachboden in Kreuzberg wird ein illegales Munitions- und Chemikalienlager entdeckt. Ein Bewohner informierte die Polizei, dass von seiner Decke Flüssigkeit tropfe. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich dabei um Salzsäure handelte, wurden in einer Zwischendecke Altmunition und Chemikalien gefunden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Fremde auf den Dachboden eingedrungen waren und das Lager angelegt hatten. Auch kann ein Vormieter die gefährlichen Güter hinterlassen haben. Die nahe der Wohnung vorbeiführende U-Bahn-Linie U 15 wird unterbrochen und die Umgebung großräumig abgesperrt.

Weilheim an der Teck, 16.09.2003 - Peter Liehr

Baden-Württemberg

Umstrittener Geburtstagsempfang für Hans Filbinger

Ludwigsburg, Deutschland: Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger wurde am Montag 90 Jahre alt. Aus diesem Anlass findet unter Beisein fast der gesamten baden-württembergischen CDU-Spitze, angeführt vom jetzigen Ministerpräsidenten Erwin Teufel, im Schloss Ludwigsburg ein Empfang für Filbinger statt. Die Vorsitzenden der baden-württembergischen Landtagsfraktionen von SPD und Grünen bleiben der Feier demonstrativ fern. Filbinger hat sich nach deren Auffassung nie ernsthaft mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt. 1978 trat Filbinger von seinem Ministerpräsidentenposten zurück, nachdem seine Tätigkeit als NS-Marinerichter bekannt geworden war. Vor dem Ludwigsburger Schloss demonstrieren etwa 70 Menschen gegen die heutige Feier.

Weilheim an der Teck, 16.09.2003 - Peter Liehr

Als überaus irritierend betrachte ich den Umstand, dass Hans Filbinger mit Bezug auf seine Tätigkeit als Marinerichter im Zweiten Weltkrieg noch 2003 der Auffassung anhängt, was damals richtig gewesen sei, könne heute nicht falsch sein.

Tübingen-Bühl, 02.04.2007 - Peter Liehr

Pforzheim, Baden-Württemberg, Deutschland: In einem Pforzheimer Versandhaus tötet ein Mann Angestellte mit einem Samuraischwert.

Weilheim an der Teck, 16.09.2003 - Peter Liehr

Vereinte Nationen: Die 58. UN-Vollversammlung, die ein Jahr lang tagen soll, wird eröffnet. Schwerpunkte sind der Wiederaufbau des Irak und der Friedensplan für Israel und Palästina.

China; Deutschland: Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau ist auf Staatsbesuch in China. Rau kritisiert die Menschenrechtslage in China weitaus deutlicher als seine Vorgänger. Doch nirgends in chinesischen Medien sind Raus Worte von der Unteilbarkeit der Menschenrechte nachzulesen oder zu hören. Rau äußert sich sehr kritisch, aber nicht konfrontativ. Aus den Medienberichten ziehe ich den womöglich sehr subjektiven Schluss, dass er vielmehr mittels appellativer Zuversicht Wirkungen und Umdenkprozesse anstoßen möchte. Wie gut das gelingen kann und wie sehr im Gegensatz dazu der Billiglohnfaktor und die Wirtschaftsinteressen überwiegen, sei dahingestellt.

Türkei; Deutschland: "Ich schicke niemanden in den Tod", so Bundesaußenminister Schily, der ebenso wie die deutsche Regierung den als "Kalif von Köln" bekannt gewordenen radikalen Prediger Metin Kaplan in die Türkei abschieben will, wogegen ein deutsches Gerichtsurteil steht. Schily reist aus diesem Grund heute zu Gesprächen mit seinem türkischen Amtskollegen sowie mit dem türkischen Justizminister in die Türkei. Der türkische Innenminister versichert Schily gegenüber offensichtlich hinter geschlossenen Türen, dass bei einem Gerichtsverfahren gegen Kaplan in der Türkei keine unter Folter zustande gekommenen Urteile verwendet werden würden. Ähnlich äußerte sich offenbar auch der Justizminister. Konkrete Garantien bekommt Schily jedoch nicht, die Zusagen nach jetzigem Stand sind für deutsche Gerichte faktisch wertlos. Das Oberverwaltungsgericht Münster müsste die Zusagen auf den Verzicht mit Folter erwirkter Aussagen für annehmbar halten können. Über den konkreten Sachverhalt, nämlich, ob Kaplan vor fünf Jahren gefoltert wurde oder nicht, wurde offenbar nicht geredet. Eine konkrete Zusage, unter Folter erpresste Aussagen nicht zu verwenden, wäre auf ein Eingeständnis der türkischen Regierung gleichgekommen, dass in der Türkei gefoltert worden sei, was unter anderem unter Kaplan-Anhängern zu Klageerhebungen und zu einem Wiederaufrollen von Gerichtsverfahren führen würde - eine Entwicklung, an der der türkischen Regierung wohl kaum gelegen sein kann. Ärztliche Bescheinigungen, die von Verteidigern Kaplans vorgebracht wurden, attestieren den Kaplananhängern Folterspuren an Körper und Geschlechtsteilen.

Weilheim an der Teck, 16.09.2003 - Peter Liehr

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