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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Dienstag, 18.12.2001

Nordatlantikpakt; Russland: Die Zusammenarbeit von NATO und Russland könnte laut NATO-Generalsekretär Robertson der Schlüssel für eine anhaltende Terrorbekämpfung gesehen werden.

Israel: Für das israelische Militär sind die Anweisungen dafür gelockert worden, wann Schusswaffen gegen Personen eingesetzt werden dürfen. In den Gebieten unter israelischer Sicherheitskontrolle dürfen israelische Soldaten ab sofort auf jeden schießen, der eine Waffe trägt. Auch in anderen Bereichen sind Restriktionen entschärft worden, die den Schusswaffengebrauch durch die Armee betreffen.

Ein paar Betrachtungen zum Nahostkonflikt

Auf Radio SWR 2 verfolge ich heute in der Sendung "Forum" eine Diskussion zum Nahostkonflikt. Die folgenden Notizen fassen einige der sehr einstimmigen Äußerungen der Gesprächsrunde zusammen, sind allerdings auch klar durch meine eigene Wahrnehmung geprägt und gefiltert. (An dieser Stelle scheint mir ein erneuter Verweis auf "Eine Art Gebrauchsanweisung" zu diesen Zeilen als sinnvoll.)

Die Bewohner Israels und der palästinensischen Gebiete und ihre Regierungsinstitutionen sind in ihrem Handeln leider sehr gefühlsgelenkt (und gerade das schließt sämtliche "Logik" der Vergeltung ein, auf die an dieser Stelle beide Seiten gleichermaßen verweisen mögen). Beide Völker bzw. Volksgruppen

  • blicken auf eine lange Leidensgeschichte zurück.
  • begründen historisch einen Anspruch auf sich überschneidende Gebiete.
  • haben Regierungsverantwortliche, die in fernerer ebenso wie in jüngerer und unmittelbarer Vergangenheit Fehler gemacht haben, welche sich für den Weg zu einem friedlichen Zusammenleben bisweilen als fatal erwiesen haben.
  • sind hochgradig emotionalisiert, definieren das Selbstverständnis ihrer jeweiligen Völker aus der historischen Vergangenheit heraus als Leidende und sind entschlossen, sich bei erneuter Zufügung von Leid zur Wehr zu setzen.
  • setzen diese Wehrhaftigkeit (mit den unterschiedlichen, ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln) meist in über-reagiernder Form um, halten damit eine Spirale der Gewalt am Laufen und erwidern auf diese Art so gut wie sämtliche Verletzungen von außen, d.h. in der Mehrzahl der Fälle die "Re"-Aktionen auf vorausgehende Verletzungen vom jeweils anderen.
  • sehen sich somit kaum in der Lage, sich in den jeweils anderen hinein zu versetzen.
  • können es unter diesen Bedingungen kaum schaffen, in friedenswilliger Absicht und mit abnehmendem kategorischem Misstrauen aufeinander zu zu gehen.

Die Diskussionsteilnehmer der Radiosendung kommen somit zu pessimistischen Prognosen und Vermutungen für die Zukunft: Die Lage im Nahostkonflikt werde voraussichtlich noch sehr eskalieren (und eskalieren müssen), bevor sie sich durch Eingriffe von außen wieder wird bessern könne. Niemand unter den Diskutierenden glaubt an Kraft und Fähigkeit der beiden Seiten des Konflikts, von sich aus weit genug auf die andere Seite zugehen zu können, um einen Weg zurück in Richtung Frieden zu finden. So müssten möglicherweise konkret US-amerikanische bzw. europäische Interessen in Mitleidenschaft gezogen werden, bevor von Seiten der USA bzw. der EU eingreifende Schritte unternommen würden. Und die bestünden wohl vorwiegend und auch am sinnvollsten im "Zudrehen des Geldhahns". Keiner der beiden Staaten Israel und Palästina könne ohne die Finanzierung von außen existieren. Der Minimalkonsens, den die USA derzeit von Israel forderten und den Israel zubillige, während die USA in allem Übrigen der israelischen Regierung freie Hand ließen, sei die physische Unversehrtheit Arafats. Die Unterstützung für Israel sei fest in großen Teilen der US-amerikanischen Bevölkerung verwurzelt, neben der jüdischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten bestehe insbesondere in protestantischen, konservativen Kreisen ein hoher Grad an identifikatorischer Nähe zu Israel.

Ich schreibe diese Ansichten auf, weil ich sie interessant finde, nicht, weil ich selbst ihre Detailaussagen überprüft hätte, denn das habe ich nicht.

Den hohen Grad an Emotionalisierung sowohl auf der israelischen wie auch der palästinensischen Seite kann ich situationsbedingt verstehen, in dieser (und manch anderer) Hinsicht kann ich die Auffassung der Teilnehmer an der Diskussionsrunde gut nachvollziehen. Salopp und einfach gesagt: Ich habe selbst echt keine Ahnung, ob und in wieweit ich mich, wäre ich Iraeli oder Palästinenser, dieser Emotionalisierung entziehen könnte. Insofern sehe man die hiesigen Aufschriebe bitte auf keinen Fall als besserwisserische Betrachtungen eines (womöglich weitgehend ahnungslosen) Deutschen an, dessen nationaler Vergangenheit durch den Holocaust ohnehin schon ein beschämend großer, verheerender Anteil an der leidvollen Vergangenheit der Juden innewohnt.

Dennoch: Auch mir fiel und fällt diese Emotionalisierung auf, und zwar bei einem deutschen Moslem gegenüber Israel in einer schon mehrere Jahre zurück liegenden Unterhaltung, ebenso aber in einer vor etwa einem Monat gekauften Ausgabe der in Berlin erscheinenden Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung (vom 22.11.2001) - und zwar dort gegenüber verschiedenen Seiten, interessanterweise auch stark bezogen auf deutsche FriedensaktivistInnen.

Tübingen, 18.12.2001 - Peter Liehr

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Tübingen-Bühl, 14.05.2007 - Peter Liehr

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