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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Dienstag, 18.11.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2 und Deutschlandfunk.

Staatsbesuch von US-Präsident George W. Bush in London

Großbritannien: Am Abend trifft US-Präsident George W. Bush zu einem dreitägigen Staatsbesuch in London ein - ein Staatsbesuch mit allen Ehren einschließlich Übernachtung Bushs im Buckingham Palace, der erste derartige Staatsbesuch eines US-Präsidenten seit 1919, als Woodrow Wilson in London weilte. Bushs Besuch findet stößt in der britischen Politik auf prominente Kritiker: Ex-Außenminister Robin Cook kritisiert, nicht einmal Bushs Amtsvorgänger Bill Clinton, der sich um den Nordirlandkonflikt mehr als verdient gemacht hätte, sei eine solche Ehre zuteil geworden. Die Sicherheitsmaßnahmen sind enorm hoch angesetzt. 14 000 Polizisten, zusätzlich Scharfschützen und darüber hinaus 700 Bedienstete des Secret Service der USA sind im Einsatz. Stinger-Flugabwehrraketen werden während der vier Tagen von Bushs London-Aufenthalt bei seiner Eskorte durch die Innenstadt mitgeführt, in deren Nähe auch das Mobilfunknetz ausgeschaltet werden kann, um eine Fernzündung von Bomben zu erschweren. Einige seitens der US-Sicherheitsbehörden für den Präsidentenbesuch gestellte Forderungen sind jedoch in dessen Vorfeld abgelehnt worden. So wurde für Buckingham Palace die Anschaffung neuer kugelsichere Fenster gefordert, außerdem hätte die Autokolonne des Präsidenten von einem Panzerfahrzeug eskortiert werden sollen, ausgestattet mit einem "Minigun" genannten Spezial-Maschinengewehr mit einer Schussfolge von mehreren tausend Projektilen pro Minute. Was ebenso abgelehnt wurde, war die komplette Sperrung des U-Bahn-Verkehrs unter der Innenstadt. Bushs und Blairs Schulterschluss beim Kampf gegen den Terror bzw. den Aktionen und Maßnahmen, die sie dafür für förderlich hielten und halten (insbesondere der Krieg im Irak), wird von etwa der Hälfte der britischen Bevölkerung abgelehnt, Demonstrationen mit bis zu 100 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind für die kommenden Tage angekündigt - eine Ankündigung, die zur Verdreifachung des ursprünglich vorgesehenen Sicherheitsaufgebotes führte. Einer von Bushs Kritikern, der Londoner Bürgermeister Ken Livingston bezeichnet dessen Politik heute als die größte Gefahr für das Leben auf diesem Planeten.

Bochum, Deutschland: Die SPD verabschiedet am zweiten Tag ihres Parteitages in Bochum neue Leitlinien für die Außenpolitik. Dabei soll die Bewahrung des Friedens im Mittelpunkt stehen, zugleich sollen Militäreinsätze zum Kampf gegen den Terror jedoch erlaubt sein. Das Nein der Bundesregierung zum Krieg im Irak wird ausdrücklich gelobt.

Brüssel, Belgien; Wahington, USA; Irak: US-Außenminister Colin Powell erklärt auf einem NATO-Außenministertreffen in Brüssel, die europäisch-amerikanische Partnerschaft sei wichtig. Sie mache die Welt besser, auch wenn sich beide Seiten dabei nicht immer einig seien. In einem Zeitungsinterview fordert Powell Europa des weiteren auf, sich am Aufbau des Irak zu beteiligen. Nach Ansicht des deutschen Außenministers Fischers, der sich auf Staatsbesuch in Washington aufhält, hätte ein Scheitern der Befriedung des Irak fatale Folgen sowohl für die USA als auch für Europa, beide säßen im gleichen Boot. Heutigen Meldungen zufolge, die sich den neuen Plänen der USA widmen, die Macht im Irak zügiger an die Iraker zurück zu geben, sollen bis Ende 2005 freie Wahlen im Irak abgehalten werden, Powell zeigt sich von einer erfolgreichen Übergabe der Regierungsverantwortung zum angepeilten Zeitpunkt überzeugt. Mittlerweile gibt es nach US-Angaben mit 130 000 irakischen Sicherheitskräften bereits mehr einheimisches Sicherheitspersonal im Irak als US-Truppen. Heute und in der vergangenen Nacht fliegen die US-Truppen eigenen Angaben nach im Irak die bislang schwersten Angriffe seit Ende der größeren Kampfhandlungen - mit Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern. Nach US-Angaben sollen im Irak sechs Widerstandskämpfer seit dem vergangenen Wochenende getötet und 99 mutmaßliche Untergrundkämpfer gefangen genommen worden sein. Die US-Armee greift heute mutmaßliche Stützpunkte von Anhängern Saddam Husseins in Bagdad und Tigrit an.

Washington D.C., USA; Brüssel, Belgien; Iran: In Washington setzt sich der deutsche Außenminister Fischer für die Fortführung von Gesprächen mit dem Iran ein. Dem Land müsse die Chance gegeben werden, den Vorwurf zu entkräften, es baue Atomwaffen. US-Außenminister Colin Powell bescheinigt dem Iran Fortschritte in der Atompolitik, dessen Zugeständnisse reichten jedoch noch nicht aus.

"Der Zaun muss weg" - Forderungen der EU an Israel

Brüssel, Belgien: Die EU-Kommission fordert von der israelischen Regierung, den Bau des sogenannten Sicherheitszaunes um die Palästinensergebiete zu beenden. Mit dem Bau der Grenzbefestigung werde eine spätere Entscheidung über den Grenzverlauf vorweggenommen. Bereits fertig gestellte Abschnitte der Abgrenzung müssten wieder eingerissen werden. Außerdem fordert die EU-Kommission von Israel, den Bau weiterer jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Territorium zu stoppen. Die angespannte Lage würde dadurch unnötig verschärft. Der israelische Außenminister Shalom, der sich im Augenblick in Brüssel aufhält, kündigt indes an, dass der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sich kommende Woche erstmals mit seinem palästinensischen Amtskollegen Kurei treffen wird.

Israel-Palästina-Konflikt: Ein militanter Palästinenser erschießt an einem Kontrollposten im Westjordanland zwei israelische Soldaten aus einem Hinterhalt. Ihm gelingt die Flucht. Es ist der erste blutige palästinensische Angriff seit Ende Oktober. Israelische Truppen dringen daraufhin in palästinensische Dörfer ein und riegeln die autonome Stadt Bethlehem komplett ab. Bei Hausdurchsuchungen nimmt die israelische Polizei mindestens drei Palästinenser fest.

Türkei: Die Hinweise auf eine Beteiligung der radikalislamischen Terrororganisation Al Quaida an den Anschlägen auf zwei Synagogen in der Türkei am vergangenen Samstag verdichten sich.

Italien: Zehntausende Menschen gedenken im Rahmen der auf heute angesetzten eintägigen Staatstrauer der in Nassiria getöteten italienischen Soldaten, der "Helden von Nassiria", wie italienische Tageszeitungen sie nennen. Für zehn Minuten legen Mitarbeiter italienischer Firmen ihre Arbeit nieder, die Geschäfte der Innenstadt von Rom schließen eine Viertelstunde lang und in den italienischen Schulen wird eine Schweigeminute abgehalten.

Tübingen, 18.11.2003 - Peter Liehr

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