Irak; Italien: Die meisten ausländischen Hilfsorganisationen prüfen nach der Geiselnahme zweier im Hilfsdienst beschäftigten Italienerinnen und zweier Irakerinnen, ob sie Mitarbeiter aus dem Irak abziehen sollten. Die italienische Regierung wertet die Entführung der italienischen Helferinnen als Kriegserklärung gegen Italien. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die italienischen Geiseln eine äußerst unmenschliche, verdammenswerte Behandlung erwartet. Zudem kann ich sehr gut verstehen und durchaus nachvollziehen, dass die italienische Regierung (meiner Haltung zuwider von Anfang an Mitglied der von den USA im Irak-Krieg angeführten "Koalition der Willigen") nicht aufgrund der Entführung einzuknicken und ihr Engagement im Irak aufzugeben gedenkt. Dagegen halte ich jedoch ein verbales Muskelspiel mit Begriffen wie "Kriegserklärung" im Sinne einer anzustrebenden deeskalativen Grundstimmung für kropf-überflüssig - und außerdem für gefährlich, angesichts des Zugzwanges, unter den man sich damit setzt und vermutlich auch setzen will. Ich weiß nicht, ob ich die Äußerung überbewerte, doch kriege ich das resignative Gefühl nicht los, dass hier durch das Betonen und Emotionalisieren einer (durchaus nicht in Abrede zu stellenden) Gefährdungssituation die notwendige Nüchternheit im Umgang mit einer schwierigen Sachlage aufgegeben werden soll. Womöglich zugunsten emotionalisierter Überreaktionen, Vorbilder dafür gibt es genug. Außerdem: Angst vor äußerer Bedrohung bindet Wähler und lähmt deren Fähigkeit zu kühlem Nachdenken.
Tübingen-Bühl, 08.09.2004 und 09.09.2004 - Peter Liehr