Vulgär gesprochen: "Jeder Arsch fühlt anders." Anders gesagt: Beim Kauf eines Fahrradsattels lohnt sich längeres, vergleichendes Probefahren, denn nur so lässt sich herausfinden, ob man seinen Allerwertesten später auch auf langen Touren noch relativ schmerzfrei "gernhaben" kann.
Breit heißt nicht automatisch komfortabel, in nicht wenigen Fällen werden zu breite Sättel ausgewählt. Ein sehr breiter Sattel, so bequem er auch scheinen mag, kommt nur für Menschen in Frage, die im Schambereich auch entsprechend breit gebaut sind. Insbesondere sollten die Oberschenkel nicht verstärkt seitlich am Sattel scheuern und sich wundreiben. In welchem Maße hingegen ein zu schmaler Sattel anderweitig ebenfalls schmerzhaft sein kann, können sich sicherlich auch wenig Sattelfeste vorstellen.
Was die körperergonomische Passform angeht, so wird zwischen Herren- und Damensätteln unterschieden. Auch gibt es Sättel, die für beide Geschlechter gleichermaßen geeignet sind. In einigen Fällen kann es sogar vorkommen, dass "mann" mit einem Damensattel bzw. "frau" mit einem Herrensattel glücklich wird.
Gelsättel sind oft bequem und von gesäßergonomischer Durchdachtheit gekennzeichnet. Langlebig sind sie allerdings nicht zwangsläufig. Mehrfach habe ich bereits beobachtet, dass es, wenn das Fahrrad bei Minusgraden verwendet wird, durch Gefrieren der Gelmasse Frostbrüche in der Satteloberfläche geben kann. Folge: Je nach Konsistenz quillt oder bröselt die Gelschicht heraus und der Fahrspaß ist dahin. Geringere Witterungsansprüche sind bei dieser Sattelbauweise folglich anzuraten.
diverse luft- und schaumstoffgepolsterte Sättel
Aus Schaumstoff bestand vor der Verwendung von Gel die Standard-Dämpfungsschicht in den meisten komfortableren Sätteln, und auch heute spricht noch einiges dafür. Mag Luft in ihren Eigenschaften Gel auch unterlegen sein, die Frostbruchgefahr ist, wenngleich ebenfalls vorhanden, so doch ungleich geringer. Bei Schaumstoffpolsterung ist oft die Verwendung eines solideren Obermaterials als bei Gelpolsterung möglich, wodurch dessen Belastbarkeit durch UV-Strahlung und andere Umwelteinflüsse auch als höher eingestuft werden kann.
Langlebigkeit, allerdings bei gleichzeitiger Pflegebedürftigkeit, bietet ein Naturledersattel. Vorteil: Der Sattel passt sich im Laufe seiner Nutzung der Gesäßform an und wird somit nach einigen Wochen intensiven Gebrauchs so richtig passgenau. Ein Grund-Wohlbefinden sollte dazu beim Probefahren allerdings schon vorhanden sein. Nachteil: Ein Ledersattel verträgt Regen nur in Maßen und sollte bei Regenwetter abgedeckt werden, zumindest bei abgestelltem Rad. Am besten verträgt er Nässe, wenn er regelmäßig gefettet wird. Hin und wieder sollte das Sattelleder nachgespannt werden.
Tübingen-Bühl, 27.07.2006 - Peter Liehr