Irak: Die ersten Untersuchungen durch UN-Waffeninspektoren sind den Aussagen Kofi Annans zufolge problemlos verlaufen. Der arabische Fernsehsender Al Jazeera teilt mit, östlich von Bagdad sei eine Anlage zwei Stunden lang überprüft worden. Nach irakischen Angaben handelt es sich dabei um ein Krankenhaus und eine Fabrik für Milchprodukte. In späteren Radionachrichten (wie zuvor Radio SWR 2) heißt es dann, ein Gelände der Rüstungsindustrie sowie ein ehemaliges Gefängnis seien durchsucht worden. Ob nun das eine oder das andere stimmt (oder beides - ob das ehemalige Gefängnis heute als Krankenhaus dient und das Rüstungsareal heute zivil genutzt wird) vermag ich nicht zu sagen. Im Laufe des Nachmittags sei dann in der Nähe von Bagdad noch eine Graphitfabrik durchsucht worden, wird gemeldet. "Ich denke, Inspektionen, die nur der Kosmetik dienen, sind schlechter als keine", so äußert sich der Leiter der Waffeninspektion, Hans Blix.
Deutschland: Jürgen Möllemann äußert sich nach längerem Schweigen. Er werde die FDP nicht aus freien Stücken verlassen. Wird er jedoch ausgeschlossen, so will er eine eigene liberale Partei gründen.
Deutschland: Das Verbot der radikalislamischen religiösen Vereinigung "Kalifatsstaat" wird überprüft. Die Organisation war im Dezember 2001 von Bundesinnenminister Schily verboten worden, nachdem wenige Tage zuvor das Religionsprivileg aus dem Vereinsrecht gestrichen worden war. Rechtzeitig vor dem Verbot hatte damals der (weiterhin aktive) "Kalifatsstaat" große Teile seines Vermögens auf eine Stiftung in den Niederlanden übertragen. Auf der Frankfurter Buchmesse 2001 war ein der Organisation nahe stehender Verlag noch mit einem Stand vertreten, an dem ich mich am 13.10.2001 informierte. Die Auslieferung des in Deutschland wegen Anstiftung zum Mord verhafteten Vorsitzenden des "Kalifatsstaates" Metin Kaplan an die Türkei wird verhandelt. Sie stünde wohl unmittelbar bevor, wenn es von türkischer Seite eine Zusage gäbe, dass an Kaplan in der Türkei nicht die Todesstrafe vollstreckt würde. In der Türkei ist Kaplan meines Wissens bereits vor einigen Jahren zum Tode verurteilt worden. Die Türkei muss als Bedingung für einen EU-Beitritt die Todesstrafe abschaffen und hat dies, so weit ich weiß, auch getan oder ist dabei, es zu tun. Unklar scheint nun zu sein, ob die Todesstrafe noch vollstreckt wird kann oder nicht. [Leider bin ich in diesem Bereich zur Zeit nicht besonders gut informiert.]
Deutschland: Bundeskanzler Schröder lehnt eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem möglichen Krieg gegen den Irak weiterhin ab. Deutschland werde weder Soldaten noch Waffen zur Verfügung stellen. Transit- und Überflugrechte werde man den USA und Großbritannien jedoch einräumen. Auch sei man moralisch verpflichtet, Israel zu helfen, falls es vom Irak angegriffen werde. Von israelischer Seite ist Deutschland um Unterstützung mittels Patriot-Raketen (Luftabwehrraketen, sozusagen "Raketenabwehrraketen") gebeten worden. Schröder betont, die Verhinderung eines Krieges sei jetzt das wichtigste. Zahlreiche Kommentatoren stellten sich in den vergangenen Tagen die Frage, was für einen Unterschied es denn mache, ob nun deutsche Soldaten "zu Hause", wie im Falle eines Krieges gegen den Irak absehbar, US-amerikanische und britische Einrichtungen sichern würden, oder ob sie direkt in Kriegshandlungen im Irak verwickelt würden. Der Unterschied ist sicher vorhanden, jedoch ist Deutschland in beiden Fällen, wenn auch ein gutes Stück "weniger direkt", so doch unbestreitbar in einen Krieg gegen den Irak verwickelt. Hier scheint es Widersprüche zu Zusagen seitens SPD und Grünen vor der Bundestagswahl zu geben, und es erscheint sinnvoll, sich die genaue Formulierung der Wahlversprechen der am 22.09.2002 mit knapper Mehrheit wiedergewählten rot-grünen Regierung noch einmal zu Gemüte zu führen.
Tübingen, 27.11.2002 - Peter Liehr