Liberia: Heute soll der liberianische Präsident Charles Taylor zurücktreten und sein Land verlassen.
Tübingen, 07.08.2003 - Peter Liehr
Der liberianische Präsident Charles Taylor will heute Nachmittag zurücktreten. Er wirft den USA vor, sie würden ihn zum Rücktritt drängen, und sieht sich als Opfer einer Verschwörung, sieht er sich doch als den einzigen, der Liberia retten könne. Er werde aber möglicherweise zurückkommen. Es wird - wie sich herausstellt, richtigerweise - angenommen, dass Taylor nach Nigeria geht.
Tübingen, 11.08.2003; Tübingen-Bühl, 11.08.2004 - Peter Liehr
Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio Deutschlandfunk und SWR 2.
Der gestern Richtung Afghanistan abgereiste deutsche Verteidigungsminister Struck befindet sich am Morgen auf dem Weg von Usbekistan in die afghanische Hauptstadt Kabul. Struck plant Gespräche mit dem afghanischen Regierungschef Karsai über eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes. Nach Aussagen des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Erler könnten 100 bis 200 Soldaten der Bundeswehr für die erweiterten Aufgaben eingesetzt werden. Außerdem geht das Kommando über die internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF von der deutschen Bundeswehr und der niederländischen Armee an die NATO über. An der Übergabezeremonie nimmt Struck teil. Die Schutztruppe untersteht auch im Rahmen der NATO weiterhin einem deutschen Offizier. Deutschland und die Niederlande hatten ihre Führung während der vergangenen sechs Monate inne.
Deutschland: Der deutsche Verteidigungsminister Struck zeigt sich offen für eine Beteiligung der Bundeswehr an einem NATO-Einsatz im Irak unter UN-Mandat. Auch Bundeswehrgeneral Kujat spricht sich dafür aus. Die Oppositionsparteien CDU und CSU kritisieren dagegen, die Regierung versuche das Verhältnis zu den USA mit militärischen Mitteln zu verbessern. Die beiden Unionsparteien wollen diese Haltung nicht mittragen. Teilen der "übrigen" Bundesregierung (abgesehen vom Verteidigungsminister) geht die Vorbereitung der Bevölkerung auf eine Armeeeinsatz-Ausweitung auf den Irak, die, wie ich vermute, mit der nun eingeleiteten Debatte unter anderem bezweckt wird, offensichtlich ebenso wie mir ein gehöriges Stück zu schnell, die Bundesregierung schließt demnach einer heutigen Verlautbarung nach einen Bundeswehreinsatz im Irak weiterhin aus.
Die lobenden Worte von US-Präsident George W. Bush zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan werden in heutigen Pressekommentaren intensiv diskutiert und mit Strucks neuer Offenheit einer Bundeswehrbeteiligung im Irak gegenüber in Verbindung gebracht. Washington entgleite die Kontrolle über den Irak und Afghanistan, über US-amerikanische Hybris wird geschrieben und über die Erkenntnis der USA, dass man sich im Irak übernommen habe ("imperial overstretch", Süddeutsche Zeitung). Auch brauche Bush angesichts sinkender Popularität und des näher rückenden Wahljahres dringend Entlastung. Der Kommentator des Müchener Merkur warnt hingegen vor dem neuen Tauwetter zwischen den USA und Deutschland, das er als lebensgefährlich (für deutsche Soldaten) bezeichnet. Bezogen ist die Warnung auf die zunehmende Bereitschaft der deutschen Regierung, die Bundeswehr unter NATO-Kommando auch im Irak einzusetzen, zur Befriedung nach einem Krieg, den Deutschland mit gutem Grund abgelehnt habe. Andere Zeitungskommentatoren sind der Auffassung, dass sich Deutschland dennoch, auch unter der Prämisse des abgelehnten Krieges, aus humanitären und sicherheitspolitischen Gründen an der Friedenssicherung im Irak beteiligen sollte.
Sind bereits die Gefahren im Norden Afghanistans - dem in absehbarer Zeit vermutlich weiteren Einsatzgebiet der Bundeswehr - nicht zu unterschätzen, so wird ein Einsatz im Irak ein Einsatz in Kampfgebiet werden, der ohne schwerere Kampfhandlungen mit den entsprechenden Folgen schwer vorstellbar ist. Nutzen und Schaden weiterer Bundeswehreinsätze werden vom Bundestag unter Einbeziehung der Leistungsgrenzen der deutschen Armee sehr genau abzuwägen sein. Ich hoffe in diesem Fall sehr auf eine sachliche Diskussion, bei der parteipolitischer Profilierungsdrang hintangestellt wird.
Großbritannien: Der Ausschuss zur Aufklärung des Selbstmords von Regierungsberater und Biowaffenexperte David Kelly am 18.07.2003 nimmt seine Arbeit auf. Erste Zeugenvernehmungen werden von Richter Lord Hutton durchgeführt. Im Laufe der Ermittlungen werden voraussichtlich hauptsächlich BBC-Mitarbeiter sowie Regierungsmitglieder vernommen werden, darunter auch Premierminister Tony Blair.
Libanon; Syrien; Israel: In der Nacht sind israelische Kampfflugzeuge als Reaktion auf den gestrigen Hisbollah-Angriffs in den libanesischen Luftraum eingedrungen und haben die Hauptstadt Beirut im Tiefflug überquert und in der Bevölkerung Panik ausgelöst. Offenbar wurde währdend des Tiefflugs die Schallmauer durchbrochen. Der syrische Rundfunk berichtet, Israel habe Syrien bedroht. Israel hält Syrien für eine Schutzmacht der Hisbollah. Eine Fortsetzung der eskalativen Politik gegenseitiger Provokationen und Nadelstiche wird auf Radio SWR 2 als recht wahrscheinlich bewertet.
Israel: Bettina Marx berichtet in der Sendung "Zeitlupe" auf Radio SWR 2 über die neue Armut in Israel. 1/3 der Israelis leben mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze. Israel wird sich aller Voraussicht nach die Politik militärischer Konfrontation nicht mehr lange ohne massive Finanzunterstützung von außen leisten können - und die wird, wenn die US-Regierung ihre Ankündigung wahr macht, merklich gekürzt (vgl. 04.08.2003). Die Tourismusbranche liegt am Boden und es mangelt weitläufig an Aufträgen für Unternehmen. Sozialhilfeempfängern wird im Augenblick "die Stütze" gekürzt. Vor dem Finanzministerium gibt es mittlerweile Sitzdemonstrationen alleinerziehender Mütter, die stückweise von der Armut in die Not abrutschen - und die Schuld Finanzminister Netanjahu zuweisen, der mit seinen Streichungen die Ärmsten unter den Armen getroffen habe. Netanjahu lässt sich davon nicht beirren und fordert die Alleinerziehenden auf, arbeiten zu gehen, was unter den Bedingungen hoher Arbeitslosigkeit und quasi nicht vorhandener Vermittlungsaussichten auf die Alleinerziehenden wie Hohn wirkt. Die Betroffenen beklagen eine Umverteilung des Geldes von unten nach oben, Israel, gesellschaftlich einst durchaus vorbildhaft, sei korrupt und werde zunehmend zu einer Bananenrepublik.
Irak: In Bagdad explodieren in der Nähe der britischen Botschaft Sprengsätze. Dabei werden offenbar zwei Iraker getötet. Bei einem Bombenanschlag in einer nordirakischen Stadt wird ein US-Soldat getötet, zwei werden verletzt.
Tübingen, 11.08.2003 - Peter Liehr