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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Dienstag, 21.10.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2, Deutschlandfunk und Deutsche Welle.

Iran

Besuch der Außenminister dreier EU-Staaten im Iran - Ankündigung der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag durch den Iran

Iran; Frankreich; Großbritannien; Deutschland: Der französische, der britische und der deutsche Außenminister treffen in Teheran mit ihrem iranischen Kollegen zusammen. Dominique de Villepin, Jack Straw (der bereits am 30.06.2003 wenig erfolgreich auf einer ähnlichen Mission unterwegs war) und Joschka Fischer fordern die iranische Regierung auf, auf alle Forderungen der Internationalen Atomengergiebehörde IAEA einzugehen. Insbesondere drängen sie auf die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag.

Sein Land sei zu völliger Transparenz bereit, weil es keinerlei illegale Programme betreibe, so der iranische Außenminister. Der Iran will an der friedlichen Nutzung der Kernenergie festhalten, was die europäischen Außenminister zu akzeptieren bereit sind. Insgesamt wird von einer positiven Gesprächsatmosphäre berichtet.

Der Direktor des Hamburger Orient-Instituts berichtet auf Radio Deutsche Welle von zwei Tendenzen im Iran: Einerseits gibt es radikale, konervative Gruppen, die eine Stärkung der Machtposition gegenüber Israel sowie anderen direkt oder indirekt benachbarten Staaten auch durch die Entwicklung atomarer Waffen befürworten, andererseits gibt es starke Interessen an Wirtschaftsabkommen mit der Europäischen Union, deren Mitgliedsstaaten sich für solcherlei Abkommen nicht minder interessieren. Das sei deutlich zum Ausdruck gekommen, als nach der Rede von US-Präsident George W. Bush, in der er erstmals von der auch den Iran umfassenden "Achse des Bösen" redete, Politiker der EU-Staaten in den Iran reisten und dort vermittelten, dass sie die US-amerikanische Sicht der Dinge nicht teilten.

In der jetzigen Situation sagen die Staaten der besuchenden Außenminister dem Iran einen noch nicht näher spezifizierten Technologieaustausch zu, falls die iranische Regierung ihre Forderungen erfülle - eine Zusage, die von Seiten der US-Regierung mit großer, bisweilen misstrauischer Aufmerksamkeit verfolgt werden dürfte. Denn auch ein nuklearer Technologieaustausch ist dann im Rahmen der IAEA-Regelungen möglich, was die US-Regierung tunlichst zu verhindern sucht.

Die beteiligten EU-Länder - Deutschland und Frankreich in diesem Fall interessanterweise Seite an Seite mit Großbritannien - erwarten sich von dem Iranbesuch nicht zuletzt bedeutende Vorteile für die heimische Wirtschaft beim Marktzugang im Iran im Falle eines Machtverlustes der Mullahs. Vieles im äußeren, also internationalen Kräfteverhaltnis des Iran mit anderen Staaten der Welt wird somit offenbar zu Recht als davon abhängig betrachtet, welche Kräfte im Inneren des Iran die Oberhand gewinnen oder behalten.

Im Laufe des Tages wird berichtet, dass die iranische Regierung den Verzicht auf die Anreicherung von Uran ebenso wie die Unterzeichung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag zusagt - und die Verarbeitung atomarer Brennstäbe vorübergehend einstellen wird. Die Verhandlungen seien sehr offen, aber schwierig gewesen, doch es hätte Klarheit geschaffen werden müssen, so der deutsche Außenminister Fischer im Nachhinein. Feste Zugeständnisse haben die drei Außenminister dem Iran nicht gemacht, sagt Fischer nach seiner Rückkehr nach Deutschland. Am 31.10.2003 läuft ein Ultimatum ab, bis zu dem der Iran offengelegt haben muss, dass sein Atomprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient.

Der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gehen die iranischen Zusagen nicht weit genug. Sie verlangt, dass der Iran Unterlagen über sämtliche nuklearen Aktivitäten offenlegt, einschließlich derer aus der Vergangenheit. Daraufhin kündigt die iranische Regierung auch in dieser Hinsicht Kooperation an, man werde die entsprechenden Unterlagen der letzten 30 Jahre aushändigen. Die Schritte zwischen Iran, IAEA und den drei Außenministern folgen einander heute in überraschend schneller Abfolge.

Israel-Palästina-Konflikt: Die palästinensische Regierung fordert nach den massiven israelischen Angriffen von gestern die internationale Gemeinschaft (besonders die USA, die EU und die UNO) auf, die israelischen Angriffe zu stoppen. Die radikalislamischen Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Djihad kündigen außergewöhnliche und grausame Vergeltungsschläge an. Der palästinensische Außenminister gibt die Zahl der gestern Getöteten mit 13 an, mehr als 19 Palästinenser seien zudem verletzt worden. Israelische Soldaten umstellen heute eine Moschee in Ramallah, etwa einen Kilometer vom Amtssitz von Palästinenserpräsident Arafat entfernt. Sie verhören Personen, worauf es nach Augenzeugenberichten zu einem Feuergefecht kommt.

Deutschland; USA: Der deutsche Bundeskanzler Schröder verteidigt die Pläne einer eigenen europäischen Verteidigung gegenüber US-amerikanischen Bedenken. Damit solle keine Konkurrenz zu den Strukturen der NATO geschaffen werden. Besonderen Argwohn erregt in den USA die Tatsache, dass es sich bei den Verfechtern einer europäischen Verteidigungspolitik um die schärfsten Kritiker und Gegner des Krieges im Irak handelt.

Deutschland; Afghanistan: Die Sendung Forum auf Radio SWR 2 setzt sich heute mit dem Für und Wider des geplanten Einsatzes deutscher Soldaten im nordafghanischen Kundus auseinander.

Europäische Union; Nordatlantikpakt: EU und NATO planen nach heutigen Angaben, sich in Militärfragen abzustimmen.

Tübingen, 21.10.2003 - Peter Liehr

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