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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Donnerstag, 03.04.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2.

Krieg im Irak

Deutschland: Bundeskanzler Schröder erklärt im Bundestag seine Vision für eine Nachkriegsordnung im Irak. Er kritisiert in einer Regierungserklärung den Krieg nach wie vor, es hätte andere Möglichkeiten zur Entschärfung des Konfliktes gegeben. Zentrale Motive in Schröders Äußerungen sind Multilateralismus und Stärkung der UNO, die die zentrale Rolle bei der Errichtung einer Nachkriegsordnung im Irak spielen müsse. Die territoriale Integrität, Unabhängigkeit und politische Souveränität des Irak müsse erhalten bzw. wiederhergestellt werden, die Iraker sollten ihr Staatsgebiet in der bisherigen Form behalten. Das irakische Volk müsse über seine politische Zukunft selbst bestimmen, auch die reichhaltigen Rohstoffe, das Öl müsse im Besitz des Iraks bleiben. Über diese Ausblicke auf die Nachkriegsordnung im Irak sind sich in Deutschland Regierung und Opposition einig. Die Oppositionsführerin Angela Merkel, die einerseits alles teilt, was der Bundeskanzler zu diesem Thema sagt, wirft Schröder jedoch weiterhin vor, er habe durch sein kategorisches Nein zum Krieg diesen wahrscheinlicher gemacht. Merkel, der die Bündnistreue zu den USA äußerst wichtig ist, steht zumindest im Augenblick nicht vollständig in Einklang mit der US-Regierung, wenn sie sich bei der Forderung nach einer starken Rolle der UNO an die Seite des Bundeskanzlers stellt.

Irak; Nordatlantikpakt; Europäische Union: Auch in Brüssel wird über die Zukunft des Irak diskutiert. US-Außenminister Colin Powell ist vor Ort und diskutiert mit den Außenministern der EU- und NATO-Länder. Powell zufolge könnten sich die USA eine friedenssichernde Rolle der NATO nach Kriegsende vorstellen. Über eine Rolle der UNO müsse seine Regierung noch nachdenken. Die EU wünscht, so heißt es, eine starke Rolle der UNO während aller Phasen des Irakkonfliktes. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer hält die Diskussion über den Wiederaufbau des Irak für verfrüht. Deutschland unterstützt die Wiederaufnahme des Programmes "Öl für Lebensmittel" unter der Aufsicht der Vereinten Nationen. Bundeskanzler Schröder fordert eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion, in die auch Großbritannien eingebunden werden müsse. NATO-Generalsekretär George Robertson sieht eine Wiederannäherung zwischen den USA und den Staaten der EU, die sich gegen den Krieg im Irak aussprachen. Er hält für die Zeit nach dem Krieg eine NATO-Schutztruppe für möglich.

Irak: Der Ring um Bagdad schließt sich nach Angaben von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Die alliierten Streitkräfte erreichen offenbar den Flughafen von Bagdad bzw. nähern sich ihm auf eine Distanz von ca. 10 km an. Die alliierten Streitkräfte sind in südlichen Außenbezirken der Stadt heftigem Abwehrfeuer angegriffener Abwehrstellungen ausgesetzt, geben aber an, die südlichen Zufahrten zur Stadt seien in ihrer Hand. In der Nacht wurde ein US-Kampfhubschrauber vom Typ "Black Hawk" abgeschossen. Auch von einem abgeschossenen Kampfflugzeug ist die Rede.

Tübingen, 03.04.2003 - Peter Liehr

Großbritannien: Eine Meldung des britischen Verteidigungsministeriums bestätigt, dass britisches Militär in unbewohnten Randgebieten der südirakischen Stadt Basra irakische Soldaten mit Streubomben beschossen habe. Eine anderen Meldung dementiert das zwar, wird aber in den Nachrichten nicht wiederholt. Bereits gestern und vorgestern wurde über Hinweise auf den Einsatz von Streumunition berichtet, morgen wird sich der britische Verteidigungsminister aufgrund anhaltender Kritik zu weiteren Äußerungen, dieses Thema betreffend, genötigt sehen.

Tübingen, 03.04.2003 und 04.04.2003 - Peter Liehr

Irak: Auch die irakische Seite stellt den Krieg aus eigener Sicht als sehr erfolgeich dar. Die US-Einheiten seien in vielen Städten eingeschlossen oder festgekämpft und man halte sie ständig in Bewegung. Im irakischen Fernsehen werden Bilder von bewaffneten Menschen in Bagdad gezeigt, die möglicherweise eine Signalwirkung zu kollektiver Selbstverteidigung haben sollen.

(Fingierte?) Rettungsaktion für US-Soldatin Jessica Lynch

USA: Die Mehrheit der US-amerikanischen Öffentlichkeit befürwortet den Krieg nach wie vor. Zweifel kommen allenfalls an der Strategie der Militärführung auf, doch momentan werden solche Zweifel durch eine Operation übertüncht, die als Heldentat gefeiert wird: In einer Rettungsaktion wird die kriegsgefangene, 19-jährige Soldatin Jessica Lynch aus einem Krankenhaus im Irak befreit. Sie wird nach Deutschland ausgeflogen und im Militärhospital in Landstuhl untersucht, bevor sie in die USA ausgeflogen wird. Die meiner Ansicht nach irrationale psychologische Wirkung der Befreiung scheint enorm, nach Jessica Lynchs Befreiung springen die Aktienkurse um mehr als zwei Prozent nach oben. Andererseits herrscht auch unter Soldaten in den USA Kriegsangst. Immer mehr wollen den Kriegsdienst verweigern, in den ersten beiden Monaten des Jahres ließen sich doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum dahingehend beraten. Die meisten unter ihnen führen als Grund Gewissenskonflikte an.

Tübingen, 03.04.2003 - Peter Liehr

Vorausschau: Die US-amerikanische Darstellung der Rettungsaktion Jessica Lynchs wird von der ARD-Sendung Monitor am 19.06.2003 vollständig in Zweifel gezogen.

Tübingen, 19.06.2003 - Peter Liehr

Afghanistan: Bei Kandahar im Süden Afghanistans haben Taliban-Kämpfer UN-Einheiten und verbündete afghanische Truppen beschossen. Um Unterstützung gebetene US-Einheiten greifen daraufhin, unterstützt von Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen, Stellungen der Taliban an. Die US-Soldaten entdecken dabei ein Lager der Taliban mit Verpflegung, Waffen und Material zum Bombenbau.

Tübingen, 03.04.2003 - Peter Liehr

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