Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen des ARD-Fernsehens und von Radio SWR 2.
Deutschland: In der Sendereihe Aula sendet Radio SWR 2 einen Vortrag von Dr. Hans-Jürgen Heinrichs unter dem Titel "Terror oder Demokratie". Heinrichs kritisiert in seiner psychoanalytischen Betrachtung des Weltgeschehens seit dem 11.09.2001 besonders Mythenbildungen unter zu US-amerikanischem Sendungsbewusstsein kontrastierenden Begriffen wie "Schurkenstaaten" und "Achse des Bösen". Gottesbezug in der internationalen Politik und das Bewusstsein, als "die Guten" zur Terrorbekämpfung Koalitionen der Willigen einzugehen, setzten voraus, dass das (eigentlich in jedem mit vorhandene) "Böse" externalisiert werden müsse - unter Begriffen wie den oben genannten. Heinrichs setzt dieser Sicht die Auffassung entgegen, dass in jedem Menschen sowohl Gutes wie auch Böses stecke, das es anzunehmen gilt und mit dem umgegangen werden muss. Ich nehme an, dass die altgriechische Götterwelt mit ihren ambivalenten Göttergestalten Heinrichs' Welt- und Menschenbild weit besser widerspiegelt als die Gottheiten der monotheistischen Religionen. In die Zukunft blickend, meint Heinrichs, dass die neuen Kriege zu eskalieren und unser Wahrnehmungsvermögen zu sprengen drohen. Er verweist auf eine Aussage nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima (06.08.1945) und Nagasaki (09.08.1945): "Das ist nicht möglich; das, was sich dort ereignet hat, übersteigt unser Vorstellungsvermögen." Eine solche Äußerung kann sicherlich auch für den 11.09.2001 als passend empfunden werden, ebenso jedoch auch auf "Vorkommnisse" in Afghanistan und im Irak sowie auf das derzeitige Kampfgeschehen im Kongo angewendet werden, wo Kindersoldaten schon im Alter unter zehn Jahren ganze Familienclans umbringen.
Griechenland; Europäische Union: Heute Abend beginnt ein dreitägiges EU-Gipfeltreffen im griechischen Thessaloniki. Die Staats- und Regierungschefs der EU diskutieren über ein einheitliches Asylrecht. Auch sollen hinsichtlich eines Entwurfes der künftigen EU-Verfassung Fortschritte gemacht werden.
Europäische Union; Irak: In mehreren europäischen Hauptstädten, darunter Paris, London und Rom, kommt es seit gestern neben Demonstrationen auch zu Versuchen von Exiliranern, sich selbst zu verbrennen - in Reaktion auf die vorgestrige Razzia in Frankreich gegen Anhänger der Volksmudjaheddin. Eine Exiliranerin erliegt heute den Verletzungen, die von ihrem gestrigen Selbstverbrennungsversuch in Paris herrühren.
Iran; Vereinte Nationen: Die Internationale Atomenergiebehörde fordert vom Iran uneingeschränkten Zugang zu allen Atomanlagen. Es ist von einem geplanten Zusatzvertrag die Rede, der - hinausgehend über bisherige Abmachungen - Inspektoren auch unangekündigte Besuche von Atomanlagen erlauben soll.
Tübingen, 19.06.2003 - Peter Liehr
Israel; Palästina: Im Norden Israels wird ein Selbstmordanschlag auf einen Lebensmittelladen verübt. Der palästinensische Attentäter und der Ladenbesitzer kommen dabei ums Leben. Auf israelischer Seite versucht das Militär, eine illegal angelegte Siedlung zu räumen. Bie Bewohner setzen dem Vorhaben jedoch erheblichen Widerstand entgegen. Gespräche zwischen dem palästinensischen Ministerpräsidenten Abbas und Vertretern radikaler Palästinenserorganisationen kommen zu keinem Ergebnis, das ein vollständiges Ende der Gewalt in Aussicht stellt. Hamas und Islamischer Jihad wollen ihre Angriffe in Israel stoppen, aber nicht ihre Angriffe auf Siedler und Soldaten im Westjordanland. Morgen plant US-Außenminister Colin Powell einen Besuch in Israel.
Tübingen, 19.06.2003 und 20.06.2003 - Peter Liehr
Indonesien: Die ARD-Fernsehsendung Monitor verweist auf Menschenrechtsverletzungen seitens der indonesischen Regierung, zu deren Durchführung in vertragswidriger Weise Kriegsschiffe eingesetzt würden, die aus Altbeständen der Nationalen Volksarmee der DDR stammten und 1991 von Deutschland an Indonesien verkauft worden seien. Gegen den Verkauf der Schiffe habe sich die SPD - damals in der Opposition - mit großer Entschlossenheit ausgesprochen, eben weil solche Einsätze abzusehen gewesen seien. Der Kaufvertrag schränke die Nutzung der Schiffe weitestgehend auf Einsatzgebiete wie Landesverteidigung, Katastrophenschutz und Bekämpfung von Schmuggel ein. Er sei eindeutig und werde im Augenblick eindeutig missachtet, so Monitor. Anfragen von Seiten der Redaktion der Sendung bei Außen- und Verteidigungsministerium in Berlin seien jedoch von abwiegelnd, Verantwortung abweisend bis ablehnend beantwortet worden. Als Grund wird ein Indonesienbesuch von Bundeskanzler Schröder vermutet, bei dem es vor kurzem u.a. um die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder gegangen sei. Wenn dem so ist, dann wirken "Unannehmlichkeiten" wie der Verweis auf die Achtung der Menschenrechte womöglich hinderlich, eine gewisse Ausweichhaltung und Prioritätenverschiebung angesichts der schlechten Konjukturlage und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland kann man da durchaus vermuten. Festzuhalten bleibt jedoch: Weder neue Arbeitsplätze noch Aussichten auf wirtschaftliche Konsolidierung dürfen Menschenrechte aushebeln. Noch 2001 sind nach Monitor-Angaben aus Deutschland neue Motoren für die Ex-NVA-Schiffe nach Indonesien geliefert worden, finanziert durch Hermesbürgschaften - ein unübliches Vorgehen bei der Lieferung von Ersatzteilen für Rüstungsgüter.
Deutschland; Irak: Rückblick zum Krieg im Irak: Die ARD-Sendung Monitor stellt die US-amerikanische Darstellung der Rettungsaktion von US-Soldatin Jessica Lynch Anfang April 2003 (vgl. 03.04.2003) grundsätzlich in Frage. Als die US-Truppen das Krankenhaus in Nassiria - nach Angaben dortiger Ärzte mit Platzpatronen und viel Lärm - einnahmen, sei dort kein einziger irakischer Soldat mehr gewesen, und das sei auch bekannt gewesen. Die irakischen Ärzte hätten Soldatin Lynch auch keineswegs als Gefangene behandelt, sondern ihr im Gegenteil das einzige Spezialkrankenbett der Klinik zur Verfügung gestellt und für sie bei der Behandlung von Knochenbrüchen getan, was getan werden konnte. Eine frühere Überstellung von Lynch an die US-Truppen sei daran gescheitert, dass der Krankenwagen bei der Annäherung an den US-Checkpoint von US-Seite beschossen wurde und umkehren musste. (Falls ein Anschlag befürchtet wurde und kein Kontakt zwischen beiden Seiten bestand, kann dem Beschuss meiner Ansicht nach ein gewisses Maß an Verständnis entgegengebracht werden). Insgesamt, so Monitor, sei die tatsächlich ziemlich ungefährliche "Rettungsaktion" Jessica Lynchs vom Pentagon schließlich deswegen zur Heldentat stilisiert worden, weil ein solcher Erfolgsmythos dringend gebraucht worden sei in jenen Tagen, in denen es erste größere Opferzahlen auf US-amerikanischer Seite gab, die Befürchtung herrschte, der Krieg könne sich lange hinziehen, und daher die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten - sprich: die Pro-Kriegs-Haltung der Bevölkerungsmehrheit - zu kippen drohte. Aus diesem Grund seien die ungeschnittenen Originalfilmsequenzen von der Rettung Lynchs auch nie veröffentlicht worden. Fraglich ist, ob sie es jemals werden.
Fronleichnam (katholischer Feiertag).
Tübingen, 19.06.2003 - Peter Liehr