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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Freitag, 04.04.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2.

Krieg im Irak

Die US-Truppen kontrollieren nach heutigen Angaben einen Großteil des Flughafens von Bagdad, Teile davon seien jedoch noch umkämpft. Gestern Abend wurde noch berichtet, der Flughafen sei in US-amerikanischer Hand - offenbar etwas voreilig. Vororte von Bagdad werden bombardiert, zwei US-Soldaten werden bei Kämpfen getötet, zudem wird einer von den eigenen Truppen erschossen, weil er für einen irakischen Soldaten gehalten wird. Außerdem kommt es offenbar wieder zu einem Vorfall wie am 01.04.2003, bei dem diesmal drei Zivilisten an einem Kontrollpunkt erschossen werden.

Die Zustände in Bagdad

Bagdad, Irak: Die vergangene Nacht war nach Angaben von Bewohnern Bagdads sowie von fliehenden Anwohnern der Flughafengegend eine Höllennacht, die Bombardements erfolgten offenbar im Minutentakt. 320 irakische Soldaten sollen nach heutigen Meldungen getötet worden sein, ebenso weitere Dutzende Iraker, auch Zivilisten.

Vergangene Nacht fiel in Bagdad der Strom aus. Die Dunkelheit sollen britische Spezialeinheiten nach Angaben britischer Zeitungen genutzt haben, um in der Stadt die Lage zu sondieren und herauszufinden, wie stark der Widerstand noch ist. Ob eines der Ziele solcher Sondierungen, nämlich einen blutigen Häuserkampf in der irakischen Hauptstadt zu vermeiden, erreicht werden kann, erscheint fraglich. Nicht in den Medien gemeldet wird der Schaden, den ein solcher Stromausfall insbesondere im medizinischen Sektor haben dürfte. Viele Geräte in Krankenhäusern brauchen Strom zur Sicherstellung lebenserhaltender Maßnahmen bei bestimmten Patienten, und es ist sehr zu bezweifeln, ob die betroffenen Kliniken ausreichend Notstromaggregate verfügen, um den Stromausfall zu überbrücken.

Die Wasserknappheit im Irak scheint mittlerweile verheerende Ausmaße anzunehmen. Nach UNICEF-Angaben droht im Südirak eine humanitäre Katastrophe. Das britische und das US-amerikanische Militär bietet bereitwillig an, Hilfstransporte zu eskortieren, was die Hilfsorganisationen der UNO ablehnen, fürchten sie doch, einseitig vereinnahmt zu werden.

Streubomben im Südirak

Großbritannien; Irak: Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon räumte gestern den Einsatz von Streubomben, so genannter Cluster Bombs, durch die britischen Truppen ein. Ein Cluster enthält mehrere kleine Sprengsätze. Problem: Diese Cluster gehen nicht alle in die Luft, einige bleiben liegen und ähneln dann in ihrer Wirkung faktisch Landminen - und das auf lange Zeit, falls es sich nicht um eine sehr "moderne" Art der Cluster Bombs handelt, die mit einem automatischen Nachzünder zur Selbstzerstörung ausgestattet sind. Vor ungefähr 15 Monaten soll im Afghanistan-Krieg ein Kind den Sprengsatz einer Streubombe mit einem der ebenfalls von US-Flugzeugen abgeworfenen, farblich ähnlichen Lebensmittelpakete verwechselt haben. Es hob ihn auf, der Sprengsatz detonierte und zerfetzte das Kind. Streubomben sind nach Auffassung des britischen Verteidigungsminister Jeff Hoon, der sich durch heftige Kritik seitens der britischen Presse und Öffentlichkeit zu weiteren Äußerungen genötigt sieht, eine völlig legitime Waffe. Gegen diese Auffassung laufen große Teile nicht nur der britischen Öffentlichkeit sowie zahlreiche Einrichtungen Sturm, insbesondere die Stiftung der verstorbenen Prinzessin Diana, die sich für ein Verbot von Landminen und für dessen internationale Durchsetzung stark macht. Hoon äußert die Absicht, dass die Streubomben nach Ende des Krieges von den britischen Soldaten wieder eingesammelt werden sollten, er hält seine Formulierung jedoch sehr vage. Sollte das tatsächlich geschehen bzw. überhaupt durchführbar sein, so stellt sich dennoch die Frage, wann das sein wird und wieviel Unheil die Sprengsätze wohl bis dahin noch anrichten werden.

Das Thema Streubomben beschäftigte mich bereits am 17.10.2001, während des Krieges in Afghanistan.

Die deutsch-US-amerikanischen Spannungen

Deutschland; USA; Irak: Nach Angaben der deutsch-US-amerikanischen Handelskammer wirken sich die politischen Spannungen bislang nicht auf den Handel zwischen Deutschland und den USA aus, der finde weiterhin auf einem hohen Niveau statt. Ein Wirtschaftsstreit wird jedoch hinsichtlich des Wiederaufbaus im Irak heraufbeschworen. Einem Beschluss des US-Repräsentantenhauses zufolge sollen dort keine deutschen und französischen Unternehmen Aufträge aus von den USA bewilligten Geldern erhalten. Die Baufirma Halliburton, in die Dick Cheney involviert ist und die auch schon das Gefängnis in Guantanamo Bay auf Kuba gebaut hat, erhält derzeit offenbar erste Aufträge für den Wiederaufbau im Irak.

Wissen allein macht nicht weise - Bemerkungen eines hoffnungsvollen Pessimisten

Unter diesem Titel wird heute in der Sendung "Eckpunkt" auf Radio SWR 2 ein sehr hörenswertes Essay von Rafik Schami gesendet, das sich auch mit dem Krieg im Irak auseinandersetzt.

Afghanistan: Bei Gefechten in Afghanistan werden nach US-amerikanischen Angaben acht Taliban-Anhänger getötet und 15 gefangen genommen.

"Die Mordfrequenz auf UKW"

Unter diesem Titel blickt Radio SWR 2 in seiner Sendung "Zeitlupe" auf den Völkermord in Ruanda, der am 04.06.1994 begann, und damit auf den bislang konsequentesten Einsatz des Mediums Radio zum Zwecke des Völkermordes zurück. Unter diesem Datum finden sich nähere Einzelheiten aus der Sendung.

Tübingen, 04.04.2003 - Peter Liehr

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