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Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur chronologisch

Gedanken und Notizen zum Samstag, 12.04.2003

Bei meinen heutigen Eintragungen stütze ich mich vorwiegend auf Meldungen von Radio SWR 2 und Radio Bayern 1.

Chaos im kriegsgeschüttelten Irak

Irak: Die chaotischen Zustände bestehen weiterhin, es wird nach wie vor geplündert, offenbar auch die Nacht hindurch, obwohl in den eingenommenen Städten eine Ausgangssperre bestand. In der irakischen Hauptstadt sucht die US-Armee Personal für Polizei und den Öffentlichen Dienst. Vor dem Palestine Hotel warten mehrere hundert Bewerber. Auch Kliniken wurden geplündert, nur noch drei der 32 Krankenhäuser in Bagdad sind nach Einschätzung des Internationalen Roten Kreuzes funktionsfähig. Alle großen Städte außer Tigrit, wo es offensichtlich weiterhin erheblichen Widerstand gibt, sind in US-amerikanischer bzw. britischer Hand. Ein ganzes irakisches Armeekorps hatte sich gestern ergeben.

Weilheim an der Teck, 12.04.2003 - Peter Liehr

Die Plünderung des Nationalmuseums in Bagdad...

...ist eine große kulturelle Katastrophe, so, wie die Plünderungen von irakischen Kliniken eine große humanitäre Katastrophe sind. In beiden Fällen hätten mehr (oder überhaupt irgendwelche) Vorbeugungsmaßnahmen getroffen werden müssen.

Die Plünderungen im Irak machen auch vor dem Nationalmuseum in Bagdad keinen Halt. 170 000 Kulturgüter von unschätzbarem Wert, Zeugnisse aus 7 000 Jahren Kultur werden entweder gleich vor Ort vernichtet oder sind voraussichtlich auf immer verschwunden. Entsetzen und Wut herrschen (nicht nur) unter Historikern, weil diese Plünderung durchaus hätte verhindert werden können. Die US-Truppen waren gewarnt. Im Nachhinein behaupten Kritiker, ein Panzer hätte genügt, das Museum zu retten, doch die US-Truppen hätten es sehenden Auges plündern lassen. Statt dessen wird u.a. das Ölministerium bewacht, was den US-Truppen besonders vorgeworfen wird.

Sicherlich kann und darf man sich (unter anderem auch abhängig davon, wie man zum Krieg im Irak steht) die Frage stellen, was wichtiger ist: Die (aus alliierter Sicht) Befreiung einer Bevölkerung von einer Diktatur oder die Bewahrung eines Weltkulturerbes. Dennoch, so denke ich, dürfte Minimalkonsens darüber herrschen, den offensichtlich völligen Verzicht auf Anstrengungen, die Plünderung des Bagdader Museums zu verhindern, als nicht statthaft zu betrachten.

Weilheim an der Teck, 14.04.2003 - Peter Liehr

Am 15.04.2003 sagt US-Außenminister Colin Powell US-amerikanische Hilfe bei der Suche nach geplünderten Kunstgegenständen zu.

Weilheim an der Teck, 15.04.2003 - Peter Liehr

Sankt Petersburg, Russland; Deutschland; Frankreich: Die Staatschefs von Deutschland, Russland und Frankreich unterstreichen zum Abschluss ihres Gipfeltreffens im russischen Sankt Petersburg die Bedeutung der Vereinten Nationen. Die UNO sei die einzige Organisation, die gemeinsame Rechtsüberzeugungen geschaffen habe, die weltweit akzeptiert würden, so der deutsche Bundeskanzler vor der juristischen Fakultät der Universität. Der französische Staatschef Chirac meint, Bezug nehmend auf das Ende des Zweiten Weltkrieges, die Europäer dürften ihre Schuld gegenüber den USA nie vergessen. Nach dem 11.09.2001 hätten die Staaten der Welt den USA beigestanden, meint Chirac und stellt dem seine kritische Auffassung dem Krieg im Irak gegenüber entgegen: Gewalt als Preis für den Frieden müsse immer eine Ausnahme bleiben. Eine dauerhafte Friedensordnung könne nicht mit militärischen Mitteln gewährleistet werden. Der russische Staatschef Vladimir Putin äußert die Auffassung, den Rahmen des internationalen Rechts dürfe niemand verlassen. Ich möchte es mir in diesem Zusammenhang auf keinen Fall verkneifen, an den Krieg in Tschetschenien zu erinnern und fragen, wo dort von einem Rahmen des internationalen Rechts die Rede sein kann.

Weilheim an der Teck, 12.04.2003 - Peter Liehr

Übermorgen wird sich die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zur menschenrechtlichen Lage in Tschetschenien äußern.

Weilheim an der Teck, 14.04.2003 - Peter Liehr

Jemen: Zehn Gefangene, die der Terrororganisation Al Quaida zugerechnet werden, brechen durch ein selbst gegrabenes Loch aus einem jemenitischen Gefängnis aus. Vor 2 1/2 Jahren, im Oktober 2000 sollen sie im Hafen von Aden an einem Anschlag auf das US-amerikanische Kriegsschiff USS Cole beteiligt gewesen sein, bei dem 17 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Der Jemen gilt als eines der Hauptrückzugsgebiete von Al Quaida. Etwa hundert Personen werden im Jemen unter dem Verdacht festgehalten, sie stünden in Kontakt mit Al Quaida oder anderen islamistischen Gruppen.

Am 24. April plant die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ein Krisentreffen. Sie muss, damit der Ölpreis nicht in den Keller rutscht, den Ölhahn wieder zudrehen, denn es ist abzusehen, dass der Irak in 1/4 Jahr wieder Öl wird liefern können. V.a. Saudi-Arabien könnte sich weigern, seine Förderquoten wieder zu senken. Noch ist die irakische Ölindustrie weitgehend schrottreif, Pipelines sind rostig, Ventile verrottet. Horrorszenario für die OPEC: Der Irak verlässt das Kartell und macht direkt Verträge mit US-amerikanischen Ölkonzernen. Das könnte möglicherweise das Ende der Organisation bedeuten. Der Irak soll zum Verbündeten der USA gemacht werden, auch als Gegenpol zu Saudi-Arabien, das zu den USA ein wachsendes und auf Gegenseitigkeit beruhendes Misstrauen hegt.

Niederlande: Niederländische Kriegsgegner halten in Den Haag einen Zug mit Nachschub für die US-Soldaten im Irak auf, ketten sich an die Schienen an und lassen von ihrem Protest so lange nicht ab, bis der Zug in den Bahnhof von Den Haag zurückfährt. Offenbar kann der Zug wegen Überbreite keine andere Strecke befahren.

Berlin, Deutschland: In Berlin wollen heute Friedensaktivisten unter dem Motto "Frieden statt Besatzung" demonstrieren.

Ex-Jugoslawien: Im Norden des Kosovo sprengen Unbekannte eine Bahnbrücke. Die Bahnverbindung nach Belgrad ist seitdem unterbrochen.

Weilheim an der Teck, 12.04.2003 - Peter Liehr

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