Russland; Deutschland; Frankreich: Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sowie der französische Staatspräsident Jacques Chirac planen, heute, einen Tag nach den weltweit kritisierten Wahlen in Tschetschenien, gemeinsam den russischen Präsidenten Vladimir Putin an dessen Urlaubsort zu besuchen. Am vergangenen Samstag erging ein Appell der Menschenrechtsorganisation Amnesty International an Schröder, Putin auf die prekäre Menschenrechtssituation in Tschetschenien hin anzusprechen. Schröder jedoch betrachtet heute während seines Besuchs bei Putin die Wahlen in Tschetschenien als seinem persönlichen Ermessen zufolge hinreichend regelhaft verlaufen. Auch sonst sieht er keinen Grund zur Besorgnis und schon gar nicht dazu, in seiner politischen Rolle Kritik an Putins Politik zu äußern. "So weit ich das übersehen kann, kann ich eine empfindliche Störung der Wahlen nicht feststellen", so der deutsche Bundeskanzler, dessen Moskau-freundlicher Kurs heute besonders darin deutlich wird, dass er eine Zusammenarbeit des deutschen mit dem russischen Geheimdienst vereinbart. Dabei sollen ausdrücklich auch Informationen im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt ausgetauscht werden. Die persönliche Freundschaft mit dem russischen Staatsoberhaupt sowie der Zusammenhalt der Troika Chirac-Schröder-Putin, gebildet aus der einheitlichen, ablehnenden Haltung dem Krieg im Irak gegenüber, scheinen Schröder mittlerweile wichtiger zu sein als eine kritische Haltung Putin gegenüber hinsichtlich klar erkennbarer, undemokratischer Missstände.
Tübingen-Bühl, 28.08.2004, 31.08.2004 und 01.09.2004 - Peter Liehr
Bei Betrachtung der heutigen Entwicklung schwindet meine Akzeptanz für die außenpolitische Tragbarkeit der Politik des deutschen Bundeskanzlers in erheblichem Maße, Schröder hat seiner Glaubhaftigkeit gründlichen Schaden zugefügt. Besteht die Kernkompetenz deutscher Außenpolitik auf Kanzlerebene künftig aus nicht mehr als Kungelei und - in diesem Fall - "Troika-Treue"? Kurz gesagt und ohne eine persönliche Freundschaft zweier Staatsmänner schlecht heißen zu wollen: "Lieber Herr Schröder, Ihre Wähler haben Sie, was die von Ihnen vertretenen außenpolitischen Standpunkte betrifft, sicher nicht mit dem Zweck gewählt, bedingungsloser Freund Vladimir Putins zu sein. Vergessen Sie das nicht." In diesem Gedankenzusammenhang drängt sich die, so möchte ich wohlwollend unterstellen, unvorsichtige Äußerung Schröders über die bedingungslose Solidarität mit den USA nach dem 11.09.2001 auf, vgl. meine Einträge zum 16.09.2001. Was ich damals zum Stichwort "Solidarität unter Freunden" auf einen Einzelfall bezogen äußerte, möchte ich an dieser Stelle folgendermaßen verallgemeinern:
Abwägende Diskussion und kritische Betrachtung des Gegenübers halte ich für einen wichtigen Bestandteil anteilnehmender Freundschaft. Wobei Kritik nicht schmähen oder verletzen braucht, sondern Wege bahnen und Alternativen aufzeigen soll.
Tübingen-Bühl, 01.09.2004 - Peter Liehr
Ausblick: Einen unguten Beigeschmack werden bei mir in den nächsten Tagen lavierende Äußerungen von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hinterlassen, der in einem Fernseh-Interview mit verzwungener Miene einer klaren Stellungnahme dazu, was er denn von den Wahlen in Tschetschenien halte, ausweichen wird. Immerhin wird er sich am 02.10.2004 auf dem kommenden Grünen-Parteitag deutlicher äußern. Eine noch weitaus enttäuschendere Stellungnahme zu Schröders heutigen Äußerungen jedoch wird sich am 03.10.2004 auf demselben Parteitag Claudia Roth erlauben. [Vgl. 01.09.2004.]
Tübingen-Bühl, 03.10.2004 - Peter Liehr
Deutschland: Demonstrationen gegen die Sozialreform Hartz IV sind in mehr als 180 Städten angemeldet. Es soll also weitaus mehr Demonstrationen geben als bisher. So wird z.B. erstmals auch in Reutlingen demonstriert. Die Gesamtteilnehmerzahl bleibt jedoch hinter der der zurückliegenden Montagsdemonstrationen zurück.
Tübingen-Bühl, 25.08.2004, 30.08.2004 und 28.09.2004 - Peter Liehr
Nadjaf, Irak: Geburtstagsfeier für Imam Ali, den Namensgeber der Imam Ali Moschee.
Tübingen-Bühl, 25.08.2004 - Peter Liehr
Irak; Frankreich: Die Entführer zweier französischer Journalisten verlängern ihr Ultimatum bis zu deren Ermordung um 24 Stunden bis übermorgen früh. Ihre Forderung an die französische Regierung, das Kopftuchverbot an französischen Schulen aufzuheben, wird in Pariser Regierungskreisen zurückgewiesen. Frankreich (das bekanntlich im Irak nicht militärisch aktiv ist) will sich nicht erpressen lassen.
Tübingen-Bühl, 30.08.2004 und 31.08.2004 - Peter Liehr
New York City, USA: In New York beginnt der Wahlparteitags der regierenden Republikaner im Madison Square Garden. Kritiker, die - wie bereits gestern berichtet - derzeit in großen Massen in New York auf die Straße gehen, greifen bei den Republikanern die unverhohlene Interessenpolitik und die zwar bei den Präsidentschaftswahlen 2000 versprochene, doch in keiner Weise praktizierte Kooperation mit den Demokraten an. Das 2000 geprägte Schlagwort von einem liberalen Demokratismus sei ein leeres Schlagwort mit dem Zweck der Wählerbindung geblieben. Außerdem habe sich die Schere zwischen Arm und Reich in der Legislaturperiode 2000-2004 in beispielloser Weise geöffnet. Demokratisch taktvolles Verhalten im Parlament sei während dieser Zeit nicht praktiziert worden. Gesetzesvorlagen seien mit Absicht erst kürzeste Zeit vor der Abstimmung darüber - oft erst am Abend davor - aus der Druckerei gekommen und den Abgeordneten vorgelegt worden.
Tübingen-Bühl, 28.08.2004 und 30.08.2004 - Peter Liehr
USA: US-Präsident George W. Bush sagt, dass der Krieg gegen den weltweiten Terrorismus nicht zu gewinnen sei - eine unerwartete Aussage, die morgen schleunigst in ihr Gegenteil gewendet werden wird.
Tübingen-Bühl, 31.08.2004 - Peter Liehr